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Erbrecht in der Schweiz: Was Sie über Vererbung und Nachlassregelungen wissen sollten

Das Erbrecht regelt in der Schweiz die Weitergabe von Vermögen und Besitz einer Person nach ihrem Tod. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung, dass der Nachlass gemäß den Wünschen des Erblassers und den gesetzlichen Vorgaben verteilt wird. In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Aspekte des Erbrechts und die Möglichkeiten, Ihren Nachlass nach Ihren Wünschen zu gestalten.


1. Die gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn kein Testament vorliegt?

Wenn keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Diese teilt den Nachlass gemäß den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) unter den nächsten Angehörigen auf. Die gesetzliche Erbfolge folgt einer klaren Hierarchie:

  • Erste Erbenklasse: Der Ehepartner und die direkten Nachkommen des Erblassers (Kinder, Enkelkinder). Diese erben in der Regel den größten Teil des Nachlasses.

  • Zweite Erbenklasse: Wenn keine Nachkommen vorhanden sind, erben die Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten und Neffen).

  • Dritte Erbenklasse: Falls weder Nachkommen noch Eltern oder Geschwister vorhanden sind, erben die Großeltern und deren Nachkommen.


2. Pflichtteile: Der Schutz bestimmter Erben

Das Schweizer Erbrecht schützt nahe Angehörige durch sogenannte Pflichtteile. Diese sichern bestimmten Erben – wie dem Ehepartner, den Kindern oder den Eltern – einen Mindestanteil am Erbe, selbst wenn der Erblasser sie im Testament benachteiligen wollte. Folgende Anteile gelten:

  • Für Kinder: 50 % ihres gesetzlichen Erbteils.

  • Für den überlebenden Ehepartner oder eingetragenen Partner: 50 % des gesetzlichen Erbteils.

  • Für Eltern (falls keine Nachkommen vorhanden sind): 50 % des gesetzlichen Erbteils.

Der Rest des Nachlasses – der sogenannte frei verfügbare Teil – kann nach Belieben des Erblassers verteilt werden.


3. Testament und Erbvertrag: Ihre Möglichkeiten zur Nachlassgestaltung

Um sicherzustellen, dass der Nachlass nach Ihren Wünschen verteilt wird, können Sie ein Testament oder einen Erbvertrag erstellen. Diese Dokumente ermöglichen es Ihnen, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen und genau festzulegen, wer was erben soll.

  • Testament: Ein Testament ist eine einseitige Verfügung des Erblassers, die jederzeit geändert oder widerrufen werden kann. Es gibt verschiedene Formen, darunter das eigenhändige Testament (handschriftlich verfasst) und das öffentliche Testament (vor einem Notar errichtet).

  • Erbvertrag: Ein Erbvertrag ist eine verbindliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und den Erben. Im Gegensatz zum Testament kann der Erbvertrag nur mit Zustimmung aller Vertragsparteien geändert werden.


4. Schenkungen und Erbvorbezüge zu Lebzeiten

Schenkungen und Erbvorbezüge, die zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen werden, können die Erbansprüche beeinflussen. Solche Zuwendungen müssen oft beim Tod des Erblassers bei der Erbteilung berücksichtigt werden, um eine gerechte Verteilung zu gewährleisten. Diese Maßnahmen können eine sinnvolle Möglichkeit sein, den Nachlass schon frühzeitig zu regeln und potenzielle Konflikte zwischen den Erben zu vermeiden.


5. Die Erbteilung: Ablauf und Herausforderungen

Nach dem Tod des Erblassers müssen die Erben den Nachlass aufteilen. Dies geschieht entweder gemäß den Bestimmungen im Testament oder Erbvertrag oder nach der gesetzlichen Erbfolge. Der Nachlass wird in der Regel durch eine Erbengemeinschaft verwaltet, bis die Erbteilung abgeschlossen ist.

Die Erbteilung kann aufgrund unterschiedlicher Interessen der Erben oder wegen unklarer Vermögensverhältnisse kompliziert werden. In diesen Fällen ist es ratsam, frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um Streitigkeiten zu vermeiden und eine faire Lösung für alle Beteiligten zu finden.


6. Erbschaftssteuern: Was muss beachtet werden?

Je nach Kanton können auf Erbschaften und Schenkungen Steuern anfallen. In den meisten Kantonen sind direkte Nachkommen (Kinder, Enkelkinder) von der Erbschaftssteuer befreit. Für andere Erben wie Geschwister oder entferntere Verwandte können jedoch erhebliche Steuerpflichten entstehen. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die jeweiligen kantonalen Bestimmungen zu informieren, um Überraschungen zu vermeiden.


Fazit: Vorsorge ist der Schlüssel zu einer geregelten Nachlassplanung

Das Schweizer Erbrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten, den Nachlass nach den eigenen Vorstellungen zu regeln und nahe Angehörige abzusichern. Wer seine Erbschaftsangelegenheiten rechtzeitig plant, kann nicht nur Streitigkeiten unter den Erben verhindern, sondern auch sicherstellen, dass das Vermögen so aufgeteilt wird, wie es gewünscht ist.


Möchten Sie mehr über Ihre Möglichkeiten zur Nachlassplanung erfahren oder sichergehen, dass Ihr Testament rechtssicher ist? Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der Erstellung von Testamenten und Erbverträgen sowie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte im Erbfall. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung unter +41 33 533 22 32!

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Fallbeispiel: Güterrechtliche Auseinandersetzung nach Scheidung – gerechte Lösung unter Berücksichtigung des Eigentums


Sachverhalt:

Herr und Frau Meier waren seit 1998 verheiratet, ohne einen Ehevertrag zu schliessen, sodass der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gemäss Art. 196 ZGB galt. Nach der einvernehmlichen Trennung 2020 wurde die Scheidung eingereicht. Beide Parteien standen nun vor der Herausforderung, ihr gemeinsames Vermögen, darunter insbesondere das Eigenheim, aufzuteilen.


Herr Meier führte erfolgreich ein Architekturbüro, während Frau Meier nach der Geburt der Kinder ihre Karriere pausiert hatte, um den Haushalt zu führen. Das Eigenheim, im Jahr 2005 für CHF 800.000 erworben, hatte sich im Wert auf CHF 1.200.000 gesteigert. Das Paar hatte eine Hypothek von CHF 400.000 auf der Liegenschaft. Der Erwerb des Hauses war zu einem grossen Teil durch die Errungenschaft von Herrn Meier finanziert worden. Es galt zu klären, wie das Haus im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung aufgeteilt wird.

Rechtliche Grundlagen:


1. Eigentum des Eigenheims und Errungenschaft/Eigengut:

Gemäss Art. 197 ZGB wird das Vermögen der Ehegatten bei der Auflösung des Güterstandes in Errungenschaft und Eigengut aufgeteilt. Herr Meier hatte einen grösseren Teil seines Einkommens als Errungenschaft in den Erwerb des Hauses eingebracht, während Frau Meier eine Erbschaft in Höhe von CHF 100.000 als Eigengut nach Art. 198 ZGB in das Eigenheim investierte.

Nach Art. 206 ZGB sind Vermögenswerte, die aus sowohl Eigengut als auch Errungenschaft finanziert wurden, anteilsmässig zu trennen. Dies bedeutet, dass der Gewinn aus der Wertsteigerung des Hauses entsprechend der Anteile zwischen Errungenschaft und Eigengut aufgeteilt wird.


2. Güterrechtliche Auseinandersetzung:

Das Haus wurde nach der Trennung mit einem Wert von CHF 1.200.000 verkauft. Nach Abzug der Hypothek von CHF 400.000 blieb ein Restbetrag von CHF 800.000. Frau Meier erhielt zunächst ihren Eigengut-Anteil von CHF 100.000 zurück. Der Restbetrag von CHF 700.000 wurde als Errungenschaft betrachtet und gleichmässig gemäss Art. 215 ZGB aufgeteilt, sodass jede Partei CHF 350.000 erhielt.


3. Nachehelicher Unterhalt:

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt richtet sich nach Art. 125 ZGB. Frau Meier konnte aufgrund ihrer familienbedingten Erwerbseinschränkung und der langen Ehedauer einen Unterhaltsanspruch geltend machen. Diesbezüglich gibt der Basler Kommentar zu Art. 125 ZGB wichtige Hinweise:

  • Kriterien für den Unterhalt: Laut dem Basler Kommentar (Staehelin/Bauer/Dürr) wird bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts die Dauer der Ehe, die Aufgabenteilung, das Einkommen und die beruflichen Einschränkungen des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt. Auch die finanziellen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Ehegatten spielen eine wichtige Rolle.

  • Angemessene Selbstständigkeit: Der Kommentar hebt zudem hervor, dass der nacheheliche Unterhalt nur so lange geschuldet wird, wie es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht zumutbar ist, für seinen eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. In Fällen wie dem vorliegenden, wo Frau Meier ihre Erwerbstätigkeit nach der Trennung nur eingeschränkt wieder aufnehmen konnte, wird ein befristeter Unterhalt in Erwägung gezogen, um ihr eine Ãœbergangsphase zu ermöglichen.

Diese Überlegungen decken sich auch mit der Rechtsprechung des BGE 137 III 102, der die nacheheliche Solidarität betont, aber gleichzeitig fordert, dass der Berechtigte sich möglichst rasch wirtschaftlich eigenständig macht.


Lösung:

In Anwendung dieser Grundsätze wurde zwischen den Parteien ein befristeter Unterhalt vereinbart. Herr Meier verpflichtete sich, Frau Meier für fünf Jahre einen monatlichen Betrag von CHF 2.500 zu zahlen. Diese Zahlung sollte Frau Meier ermöglichen, ihre Erwerbsfähigkeit schrittweise wieder zu erhöhen und in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Dieser Ansatz fand auch in der gerichtlichen Praxis Bestätigung, da er sowohl die Kriterien des Art. 125 ZGB als auch die Anmerkungen des Basler Kommentars zur Übergangsphase und zur angemessenen Selbstständigkeit berücksichtigte.


Ergebnis:

Durch die gerechte Aufteilung des Eigentums am Eigenheim sowie die fair bemessene Unterhaltszahlung wurde eine Lösung gefunden, die beiden Parteien langfristig Stabilität gewährleistet. Frau Meier konnte durch den Verkaufserlös und den Unterhalt eine Phase der beruflichen Neuausrichtung durchlaufen, während Herr Meier nicht übermässig belastet wurde. Beide Parteien trugen zudem die Verfahrenskosten zu gleichen Teilen, was dem Prinzip der fairen und einvernehmlichen Auseinandersetzung entsprach.


Kommentar:

Dieses Fallbeispiel illustriert die Bedeutung einer sauberen güterrechtlichen Auseinandersetzung, insbesondere in Bezug auf Vermögenswerte, die sowohl durch Errungenschaft als auch Eigengut finanziert wurden. Der Basler Kommentar zu Art. 125 ZGB bietet eine wertvolle Grundlage, um den nachehelichen Unterhalt unter Berücksichtigung der individuellen Umstände fair zu gestalten. Die Praxis zeigt, dass durch eine ausgewogene Betrachtung der finanziellen Verhältnisse und der Eigenverantwortung eine Lösung erzielt werden kann, die für beide Parteien gerecht ist.


Fussnote:

Kommentare sind juristische Fachliteratur, in denen Gesetzesbestimmungen detailliert analysiert, interpretiert und anhand der Rechtsprechung erklärt werden. Sie helfen Juristen, Gesetzestexte besser zu verstehen und in der Praxis anzuwenden. Zu den bekanntesten Kommentaren in der Schweiz gehört der Basler Kommentar, der sich auf das Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB), Obligationenrecht (OR) und andere wichtige Gesetze bezieht. Kommentare haben keine rechtliche Bindung, bieten jedoch wertvolle Orientierung für die Rechtsanwendung und werden von Gerichten oft als Referenz hinzugezogen, insbesondere wenn es darum geht, unklare oder strittige Bestimmungen auszulegen. Kommentare aus der Rechtspraxis helfen Gesetze zu interpretieren und auf Konkrete Fälle anzuwenden. Es bleibt jedoch jedem Richter freigestellt, ob er einem Kommentar folgen möchte oder eine eigene Interpretation einbringen will (Richerrecht). Kommentar sind deshalb eine wertvolle Hilfe, begründen jedoch keinen eigenständigen Rechtsanspruch.

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Autorenbild: kunzlawfirmkunzlawfirm

Die unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 117 ZPO ist zwar ein wichtiger Schutzmechanismus, um Menschen den Zugang zu Gerichten und Behörden zu ermöglichen, aber die Hürden, um diese Unterstützung zu erhalten, sind doch recht hoch. Der Gesetzgeber hat klare Kriterien festgelegt, um sicherzustellen, dass nur diejenigen Personen davon profitieren, die es wirklich benötigen. Für Laien kann es daher oft überraschend sein, wie streng diese Anforderungen in der Praxis ausgelegt werden.


Finanzielle Hürde: Strenge Prüfung der Bedürftigkeit

Eine der grössten Hürden ist der Nachweis, dass man nicht über genügend finanzielle Mittel verfügt, um die Prozesskosten zu tragen. Dabei geht es nicht nur um das aktuelle Einkommen, sondern auch um das gesamte Vermögen. Das Gericht prüft genau:

  • Einkommen und Ausgaben: Hier werden auch Fixkosten wie Miete, Krankenkasse und Unterhaltszahlungen berücksichtigt. Alles, was über das Existenzminimum hinausgeht, kann als verfügbares Einkommen betrachtet werden.

  • Vermögen: Personen, die über Vermögenswerte verfügen, wie etwa Ersparnisse, Immobilien oder Fahrzeuge, müssen diese möglicherweise veräussern, um die Kosten zu decken. Nur wenn das nicht zumutbar ist, kann unentgeltliche Rechtspflege gewährt werden.

Dies führt dazu, dass viele Menschen zwar finanziell angeschlagen sind, aber dennoch nicht als "bedürftig" im Sinne des Gesetzes gelten. Ein Einkommen knapp über dem Existenzminimum oder bescheidene Rücklagen können bereits zum Ausschluss führen.


Rechtliche Hürde: Erfolgsaussichten des Verfahrens

Auch wenn jemand finanziell bedürftig ist, prüft das Gericht, ob das angestrebte Verfahren nicht aussichtslos ist. Das bedeutet, es muss eine reale Chance bestehen, das Verfahren zu gewinnen. Dies setzt oft voraus, dass die rechtlichen Grundlagen solide sind und die Beweislage überzeugend ist. Für viele Laien mag dies problematisch erscheinen, da sie oft nicht einschätzen können, wie die Erfolgsaussichten ihres Falles tatsächlich sind. In der Praxis bedeutet dies oft, dass gerade in schwierigen oder komplexen Fällen, bei denen die Erfolgschancen unsicher sind, die unentgeltliche Rechtspflege abgelehnt wird. Hierzu werde ich in weiteren Artikel mehr schreiben und Beispiele anführen.


Einschränkungen bei der Anwaltsvertretung

Auch wenn man die unentgeltliche Rechtspflege erhält, bedeutet dies nicht automatisch, dass man immer Anspruch auf eine kostenlose Rechtsvertretung hat. Diese wird nur dann bewilligt, wenn der Fall komplex ist und der Antragsteller nicht in der Lage ist, sich selbst vor Gericht zu vertreten. Bei einfacheren Verfahren muss man also oft auf einen Anwalt verzichten. Hinzu kommt, dass ein Anwalt das Mandat nicht obligatorisch annehmen muss.


Fazit: Zugang nicht für alle garantiert

Zusammengefasst bietet die unentgeltliche Rechtspflege zwar einen wichtigen Zugang zur Justiz, aber die Hürden sind so gesetzt, dass viele Menschen, die sich vor Gericht finanziell schwer tun würden, dennoch keine Unterstützung erhalten. Vor allem die detaillierte Prüfung der finanziellen Situation und die Beurteilung der Erfolgsaussichten machen es für viele Betroffene schwierig, von dieser Hilfe zu profitieren. Hier greifen zum Beispiel unsere Zahlungshilfen oder Kredite. Fragen Sie uns an, wir beraten Sie gerne!

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