Fallbeispiel: Güterrechtliche Auseinandersetzung nach Scheidung – gerechte Lösung unter Berücksichtigung des Eigentums
Sachverhalt:
Herr und Frau Meier waren seit 1998 verheiratet, ohne einen Ehevertrag zu schliessen, sodass der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gemäss Art. 196 ZGB galt. Nach der einvernehmlichen Trennung 2020 wurde die Scheidung eingereicht. Beide Parteien standen nun vor der Herausforderung, ihr gemeinsames Vermögen, darunter insbesondere das Eigenheim, aufzuteilen.
Herr Meier führte erfolgreich ein Architekturbüro, während Frau Meier nach der Geburt der Kinder ihre Karriere pausiert hatte, um den Haushalt zu führen. Das Eigenheim, im Jahr 2005 für CHF 800.000 erworben, hatte sich im Wert auf CHF 1.200.000 gesteigert. Das Paar hatte eine Hypothek von CHF 400.000 auf der Liegenschaft. Der Erwerb des Hauses war zu einem grossen Teil durch die Errungenschaft von Herrn Meier finanziert worden. Es galt zu klären, wie das Haus im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung aufgeteilt wird.
Rechtliche Grundlagen:
1. Eigentum des Eigenheims und Errungenschaft/Eigengut:
Gemäss Art. 197 ZGB wird das Vermögen der Ehegatten bei der Auflösung des Güterstandes in Errungenschaft und Eigengut aufgeteilt. Herr Meier hatte einen grösseren Teil seines Einkommens als Errungenschaft in den Erwerb des Hauses eingebracht, während Frau Meier eine Erbschaft in Höhe von CHF 100.000 als Eigengut nach Art. 198 ZGB in das Eigenheim investierte.
Nach Art. 206 ZGB sind Vermögenswerte, die aus sowohl Eigengut als auch Errungenschaft finanziert wurden, anteilsmässig zu trennen. Dies bedeutet, dass der Gewinn aus der Wertsteigerung des Hauses entsprechend der Anteile zwischen Errungenschaft und Eigengut aufgeteilt wird.
2. Güterrechtliche Auseinandersetzung:
Das Haus wurde nach der Trennung mit einem Wert von CHF 1.200.000 verkauft. Nach Abzug der Hypothek von CHF 400.000 blieb ein Restbetrag von CHF 800.000. Frau Meier erhielt zunächst ihren Eigengut-Anteil von CHF 100.000 zurück. Der Restbetrag von CHF 700.000 wurde als Errungenschaft betrachtet und gleichmässig gemäss Art. 215 ZGB aufgeteilt, sodass jede Partei CHF 350.000 erhielt.
3. Nachehelicher Unterhalt:
Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt richtet sich nach Art. 125 ZGB. Frau Meier konnte aufgrund ihrer familienbedingten Erwerbseinschränkung und der langen Ehedauer einen Unterhaltsanspruch geltend machen. Diesbezüglich gibt der Basler Kommentar zu Art. 125 ZGB wichtige Hinweise:
Kriterien für den Unterhalt: Laut dem Basler Kommentar (Staehelin/Bauer/Dürr) wird bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts die Dauer der Ehe, die Aufgabenteilung, das Einkommen und die beruflichen Einschränkungen des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt. Auch die finanziellen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Ehegatten spielen eine wichtige Rolle.
Angemessene Selbstständigkeit: Der Kommentar hebt zudem hervor, dass der nacheheliche Unterhalt nur so lange geschuldet wird, wie es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht zumutbar ist, für seinen eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. In Fällen wie dem vorliegenden, wo Frau Meier ihre Erwerbstätigkeit nach der Trennung nur eingeschränkt wieder aufnehmen konnte, wird ein befristeter Unterhalt in Erwägung gezogen, um ihr eine Übergangsphase zu ermöglichen.
Diese Überlegungen decken sich auch mit der Rechtsprechung des BGE 137 III 102, der die nacheheliche Solidarität betont, aber gleichzeitig fordert, dass der Berechtigte sich möglichst rasch wirtschaftlich eigenständig macht.
Lösung:
In Anwendung dieser Grundsätze wurde zwischen den Parteien ein befristeter Unterhalt vereinbart. Herr Meier verpflichtete sich, Frau Meier für fünf Jahre einen monatlichen Betrag von CHF 2.500 zu zahlen. Diese Zahlung sollte Frau Meier ermöglichen, ihre Erwerbsfähigkeit schrittweise wieder zu erhöhen und in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Dieser Ansatz fand auch in der gerichtlichen Praxis Bestätigung, da er sowohl die Kriterien des Art. 125 ZGB als auch die Anmerkungen des Basler Kommentars zur Übergangsphase und zur angemessenen Selbstständigkeit berücksichtigte.
Ergebnis:
Durch die gerechte Aufteilung des Eigentums am Eigenheim sowie die fair bemessene Unterhaltszahlung wurde eine Lösung gefunden, die beiden Parteien langfristig Stabilität gewährleistet. Frau Meier konnte durch den Verkaufserlös und den Unterhalt eine Phase der beruflichen Neuausrichtung durchlaufen, während Herr Meier nicht übermässig belastet wurde. Beide Parteien trugen zudem die Verfahrenskosten zu gleichen Teilen, was dem Prinzip der fairen und einvernehmlichen Auseinandersetzung entsprach.
Kommentar:
Dieses Fallbeispiel illustriert die Bedeutung einer sauberen güterrechtlichen Auseinandersetzung, insbesondere in Bezug auf Vermögenswerte, die sowohl durch Errungenschaft als auch Eigengut finanziert wurden. Der Basler Kommentar zu Art. 125 ZGB bietet eine wertvolle Grundlage, um den nachehelichen Unterhalt unter Berücksichtigung der individuellen Umstände fair zu gestalten. Die Praxis zeigt, dass durch eine ausgewogene Betrachtung der finanziellen Verhältnisse und der Eigenverantwortung eine Lösung erzielt werden kann, die für beide Parteien gerecht ist.
Fussnote:
Kommentare sind juristische Fachliteratur, in denen Gesetzesbestimmungen detailliert analysiert, interpretiert und anhand der Rechtsprechung erklärt werden. Sie helfen Juristen, Gesetzestexte besser zu verstehen und in der Praxis anzuwenden. Zu den bekanntesten Kommentaren in der Schweiz gehört der Basler Kommentar, der sich auf das Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB), Obligationenrecht (OR) und andere wichtige Gesetze bezieht. Kommentare haben keine rechtliche Bindung, bieten jedoch wertvolle Orientierung für die Rechtsanwendung und werden von Gerichten oft als Referenz hinzugezogen, insbesondere wenn es darum geht, unklare oder strittige Bestimmungen auszulegen. Kommentare aus der Rechtspraxis helfen Gesetze zu interpretieren und auf Konkrete Fälle anzuwenden. Es bleibt jedoch jedem Richter freigestellt, ob er einem Kommentar folgen möchte oder eine eigene Interpretation einbringen will (Richerrecht). Kommentar sind deshalb eine wertvolle Hilfe, begründen jedoch keinen eigenständigen Rechtsanspruch.
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