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  • Autorenbild: kunzlawfirm
    kunzlawfirm
  • 18. Okt. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

Unverhältnismäßige Durchsuchung einer Wohnung


Sachverhalt:

Herr Meier wird beschuldigt, an einer Demonstration teilgenommen zu haben, bei der es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist. Die Polizei erhält einen anonymen Hinweis, dass Herr Meier möglicherweise gefährliche Gegenstände in seiner Wohnung aufbewahrt, die im Zusammenhang mit den Ausschreitungen stehen könnten. Daraufhin beschließt die Polizei, die Wohnung von Herrn Meier ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl zu durchsuchen, mit der Begründung, es liege "Gefahr im Verzug" vor. Während der Durchsuchung werden keine Beweismittel gefunden, und Herr Meier erhebt Beschwerde, da er die Durchsuchung für unverhältnismäßig hält.


Rechtsfrage:

War die Durchsuchung der Wohnung von Herrn Meier ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl rechtmäßig und verhältnismäßig?


Rechtsgrundlagen und Kommentare:

  1. Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahme: Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) dürfen polizeiliche Maßnahmen nicht weiter gehen, als es zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die Durchsuchung der Wohnung von Herrn Meier gerechtfertigt war, insbesondere da keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorhandensein gefährlicher Gegenstände vorlagen. Laut BGE 136 I 87, in dem es um die Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei polizeilichen Maßnahmen ging, müssen die Eingriffe in Grundrechte durch die Polizei mit Bedacht und unter Abwägung der Schwere der Gefahr erfolgen.

  2. Gefahr im Verzug und richterliche Genehmigung: Gemäß Art. 244 StPO bedarf es für Hausdurchsuchungen grundsätzlich eines richterlichen Durchsuchungsbefehls, es sei denn, es liegt Gefahr im Verzug vor. In BGE 145 IV 42 wurde klargestellt, dass die Polizei bei der Annahme von Gefahr im Verzug besonders strenge Maßstäbe anlegen muss, und eine bloße Vermutung ohne konkrete Hinweise nicht ausreicht, um eine richterliche Genehmigung zu umgehen. Im vorliegenden Fall könnte das Argument der Polizei, es habe Gefahr im Verzug bestanden, nicht ausreichen, da die Gefährdungslage nicht konkret dargelegt wurde.

  3. Grundrechte und Wohnungsdurchsuchung: Das Recht auf Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung wird durch Art. 13 BV und Art. 8 EMRK geschützt. In BGE 128 I 81 betonte das Bundesgericht, dass Eingriffe in die Privatsphäre nur unter strengen Voraussetzungen und nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Interessen zulässig sind. Dies impliziert, dass auch bei Gefahr im Verzug die Grundrechte des Einzelnen nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden dürfen.


Lösung:

Die Durchsuchung der Wohnung von Herrn Meier war wahrscheinlich unverhältnismäßig, da die Polizei nicht ausreichend konkrete Hinweise auf das Vorhandensein gefährlicher Gegenstände hatte. Zudem hätte ein richterlicher Durchsuchungsbefehl eingeholt werden müssen, da die Voraussetzungen für eine Annahme von Gefahr im Verzug gemäß BGE 145 IV 42 nicht vorlagen. Die Beschwerde von Herrn Meier dürfte somit erfolgreich sein.


Fazit:

Dieses Fallbeispiel zeigt, dass polizeiliche Maßnahmen immer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und unter Achtung der Grundrechte erfolgen müssen. Die Polizei kann sich nur auf die Ausnahme der Gefahr im Verzug berufen, wenn eine konkrete und dringende Gefährdung nachweisbar ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts, insbesondere BGE 136 I 87 und BGE 145 IV 42, bietet klare Leitlinien zur Abwägung zwischen staatlichen Eingriffen und den Rechten der Bürger.

Quellen:

  • BGE 136 I 87: Entscheidung zur Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen

  • BGE 145 IV 42: Anforderungen an die Annahme von Gefahr im Verzug

  • BGE 128 I 81: Schutz der Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung

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  • 18. Okt. 2024
  • 1 Min. Lesezeit

Das Polizeirecht ist ein wesentlicher Teil des öffentlichen Rechts und regelt die Befugnisse der Polizei zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung. In der Schweiz basiert das Polizeirecht auf kantonalen und nationalen Gesetzen, wobei jedes Kantonsparlament eigene Polizeigesetze erlassen kann. Diese legen fest, in welchen Situationen und unter welchen Bedingungen die Polizei Maßnahmen wie Durchsuchungen, Verhaftungen und den Einsatz von Zwangsmitteln ergreifen darf.


Ziele des Polizeirechts

Das Polizeirecht hat in erster Linie präventive und repressive Funktionen. Präventiv wirkt die Polizei, indem sie mögliche Gefahren für die öffentliche Ordnung abwehrt, zum Beispiel durch Verkehrskontrollen oder die Überwachung von Großveranstaltungen. Repressiv handelt die Polizei, wenn sie Verstöße gegen geltende Gesetze ahndet oder Ermittlungen in Strafverfahren durchführt.


Rechtsgrundlagen

Die wichtigsten Rechtsgrundlagen des Polizeirechts sind:

  1. Bundesverfassung: Sie gibt den Rahmen für die Polizeiaufgaben und die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen vor.

  2. Strafprozessordnung (StPO): Regelt unter anderem die Ermittlungstätigkeit der Polizei.

  3. Kantonale Polizeigesetze: Jedes Kanton hat eigene Gesetze, die die Details der Polizeiarbeit festlegen.


Polizeiliche Maßnahmen und Bürgerrechte

Ein zentrales Thema im Polizeirecht ist das Gleichgewicht zwischen den staatlichen Eingriffsbefugnissen und den individuellen Freiheitsrechten der Bürger. Jede polizeiliche Maßnahme muss verhältnismäßig sein, das heißt, sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit notwendig ist. Bürger können gegen Maßnahmen der Polizei Beschwerde einlegen, beispielsweise wenn sie eine Hausdurchsuchung für unverhältnismäßig halten.


Fazit

Das Polizeirecht ist ein komplexes, aber äußerst wichtiges Rechtsgebiet. Es gewährleistet die Sicherheit der Bürger und schützt gleichzeitig deren Grundrechte. Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden spielt dabei eine entscheidende Rolle, um sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen effektiv umzusetzen.

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  • 17. Okt. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

Fallbeispiel zum Verwaltungsrecht

Sachverhalt:

Herr Müller betreibt eine kleine Gastwirtschaft in einem Wohngebiet. Seit einigen Jahren bietet er zusätzlich zu den normalen Öffnungszeiten Veranstaltungen wie Livemusikabende an. Aufgrund von Beschwerden der Nachbarschaft über den Lärm erlässt die örtliche Bau- und Zonenordnungskommission eine Verfügung, in der die Abendveranstaltungen eingeschränkt werden sollen. Herr Müller erhebt gegen diese Verfügung Einsprache, da er der Meinung ist, seine Gastwirtschaft habe eine Betriebsbewilligung, die diese Veranstaltungen erlaubt.


Die Behörde verweist auf die Bau- und Zonenordnung (BZO) der Gemeinde, welche den Betrieb solcher Veranstaltungen in Wohngebieten einschränkt. Herr Müller sieht sich dadurch in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit gemäss Art. 27 BV (Wirtschaftsfreiheit) verletzt. Er bringt vor, dass die Veranstaltungen einen wesentlichen Teil seines Geschäftsmodells darstellen und ein Verbot erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen würde.


Rechtliche Grundlagen:

  • Art. 27 BV: Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet.

  • Art. 36 BV: Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.

  • BZO der Gemeinde: Regelt die Nutzungsarten von Zonen, in denen Wohnnutzung Vorrang hat und Einschränkungen für laute, störende Tätigkeiten bestehen.


Rechtsfragen:

  1. Ist die Einschränkung der Abendveranstaltungen von Herrn Müller durch die Bau- und Zonenordnung rechtmässig?

  2. Liegt eine Verhältnismässigkeit der Einschränkung gemäss Art. 36 BV vor?


Argumentation:

Art. 27 BV garantiert die Wirtschaftsfreiheit, die auch das Recht umfasst, ein Geschäft nach eigener Wahl zu betreiben. Allerdings können gemäss Art. 36 BV Grundrechte eingeschränkt werden, sofern dies gesetzlich vorgesehen ist, dem öffentlichen Interesse dient und verhältnismässig ist.


Im vorliegenden Fall basiert die Einschränkung der Veranstaltungen auf der Bau- und Zonenordnung der Gemeinde, die als gesetzliche Grundlage gilt. Die Einschränkung dient dem Schutz der Nachbarschaft vor Lärmbelastungen, was im öffentlichen Interesse liegt. Die Verhältnismässigkeit der Massnahme ist jedoch umstritten. Die Behörde müsste prüfen, ob mildere Massnahmen, wie z.B. strengere Lärmschutzauflagen oder eine zeitliche Beschränkung der Veranstaltungen, anstelle eines vollständigen Verbots möglich wären.

BGE 128 I 295 (Publikumslärm in Wohngebieten): In einem ähnlichen Fall entschied das Bundesgericht, dass die Beschränkung von Veranstaltungen in Wohngebieten durch die zuständigen Behörden grundsätzlich zulässig ist, solange die Verhältnismässigkeit der Massnahme gewahrt bleibt. Die Behörden müssen die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers gegen das Ruhebedürfnis der Anwohner sorgfältig abwägen.


Basler Kommentar zu Art. 27 BV, N 25 ff.: Die Wirtschaftsfreiheit darf eingeschränkt werden, wenn die Einschränkung dem Schutz anderer Grundrechte, wie dem Recht auf Ruhe und Erholung, dient. Eine Einschränkung muss jedoch verhältnismässig sein und darf nicht weitergehen, als es das öffentliche Interesse erfordert.


Urteil:

In einem hypothetischen Urteil könnte das Verwaltungsgericht zu dem Schluss kommen, dass die Einschränkung zwar auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und im öffentlichen Interesse liegt, jedoch die Verhältnismässigkeit nicht ausreichend geprüft wurde. Es wäre der Behörde aufzutragen, mildere Massnahmen zu ergreifen, bevor ein vollständiges Veranstaltungsverbot verhängt wird. Herr Müllers Einsprache hätte somit teilweise Erfolg, und die Verfügung würde zur Überprüfung an die Behörde zurückgewiesen.


Dieses Fallbeispiel zeigt eine typische Konfliktsituation im Verwaltungsrecht auf, in der öffentliche Interessen und private wirtschaftliche Interessen aufeinandertreffen. Es illustriert zudem die Abwägung, die gemäss den einschlägigen Artikeln der Bundesverfassung und der Rechtsprechung erfolgen muss.

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