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  • Das abgekürzte Verfahren im schweizerischen Strafrecht - Ein kritischer Blick auf Vor- und Nachteile

    Einleitung Das abgekürzte Verfahren, wie es im schweizerischen Strafrecht vorgesehen ist, stellt eine effiziente Möglichkeit zur Bewältigung von Strafverfahren dar. Der beschleunigte Ablauf bringt Vorteile für die Verfahrensbeteiligten und die Justiz, birgt jedoch auch Risiken, insbesondere was die Rechte der Beschuldigten und die Gerechtigkeit der Strafe betrifft. In diesem Blogbeitrag wird ein reales Fallbeispiel herangezogen, um die Anwendung des abgekürzten Verfahrens kritisch zu beleuchten, und dabei werden auch einschlägige BGE-Entscheide und Kommentare zur Untermauerung herangezogen. Fallbeispiel: Das abgekürzte Verfahren bei Thomas K. Thomas K. war wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Bereits während der Ermittlungen gestand er die Tat vollumfänglich und war bereit, einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zuzustimmen, die bedingt ausgesprochen werden sollte. Auf Anraten seines Verteidigers und im Austausch mit der Staatsanwaltschaft wurde das abgekürzte Verfahren nach Art. 358 ff. StPO gewählt, da die Voraussetzungen hierfür gegeben waren: ein umfassendes Geständnis, die Einwilligung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts sowie das Fehlen besonders gravierender Widerstände. Die Staatsanwaltschaft verhandelte daraufhin mit der Verteidigung von Thomas K. und es kam zu einer Einigung, die eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren vorsah. Der Fall wurde anschliessend im Rahmen eines abgekürzten Verfahrens vor das Gericht gebracht, welches die Strafe absegnete, ohne eine mündliche Hauptverhandlung durchzuführen. Rechtliche Grundlagen und BGE-Entscheide Das abgekürzte Verfahren gemäss Art. 358 ff. StPO zielt darauf ab, die Verfahrensdauer zu verkürzen und die Justizressourcen zu schonen. Der BGE 138 IV 81 betont die Vorteile dieses Verfahrensmodells, insbesondere die Entlastung der Gerichte und die beschleunigte Beendigung von Verfahren. Gleichzeitig mahnt der Entscheid jedoch zur Vorsicht: Eine fehlende Hauptverhandlung birgt die Gefahr, dass wichtige Tatsachen oder mildernde Umstände nicht ausreichend gewürdigt werden. In einem weiteren Entscheid stellte das Bundesgericht klar, dass das abgekürzte Verfahren nur dann angemessen ist, wenn der Beschuldigte die Konsequenzen seines Geständnisses vollumfänglich verstehen kann und keine unzulässigen Druckmittel auf ihn ausgeübt wurden. Dies ist besonders relevant, da ein solches Verfahren ohne mündliche Verhandlung erfolgt und somit der persönliche Auftritt des Beschuldigten vor dem Gericht entfällt. Kommentar zur Entscheidung Der Fall von Thomas K. zeigt sowohl die Effizienz als auch die potenziellen Schwächen des abgekürzten Verfahrens. Der Basler Kommentar zu Art. 358 StPO hebt hervor, dass das abgekürzte Verfahren grundsätzlich eine freiwillige und bewusste Entscheidung des Beschuldigten sein muss. Die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte unter dem Druck einer schnellen Verfahrensbeendigung seine Rechte nicht vollumfänglich wahrnimmt oder auf mildernde Umstände verzichtet, die in einem regulären Verfahren zur Sprache gekommen wären. Eine weitere Problematik besteht in der Rolle des Verteidigers. Ein ineffektiver oder mittelmäßiger Verteidiger könnte dazu führen, dass die Interessen des Beschuldigten nicht angemessen vertreten werden, was die Fairness des Verfahrens untergraben könnte. Insbesondere bei komplexen psychischen Hintergründen des Beschuldigten, wie z. B. einer psychischen Störung, besteht das Risiko, dass solche Faktoren im abgekürzten Verfahren vernachlässigt werden. Psychologische und kriminologische Aspekte Interessant in der Betrachtung des abgekürzten Verfahrens ist auch die psychologische Seite der Staatsanwaltschaft und des Gerichts. Studien zeigen, dass die menschliche Tendenz, Verhandlungen schnell abzuschliessen, und die Vorliebe für verfahrensökonomische Lösungen die Entscheidung beeinflussen können. In diesem Zusammenhang spielt die Rolle des Pflichtverteidigers oder eines nicht ausreichend qualifizierten Anwalts eine entscheidende Rolle. Der Basler Kommentar betont daher die Wichtigkeit einer fundierten und engagierten Verteidigung, um sicherzustellen, dass das abgekürzte Verfahren keine Nachteile für den Beschuldigten mit sich bringt. Fazit Das abgekürzte Verfahren im schweizerischen Strafrecht bietet zweifellos Vorteile in Bezug auf Effizienz und Ressourcenschonung. Der Fall von Thomas K. zeigt jedoch auch die Schwächen dieses Verfahrens auf, insbesondere hinsichtlich der potenziellen Gefährdung der Rechte des Beschuldigten. Die aktuellen BGE-Entscheide betonen, dass das Wohl des Beschuldigten und die Wahrung der Gerechtigkeit im Vordergrund stehen müssen, was eine sorgfältige und bewusste Abwägung erfordert. Ein effektiver Verteidiger und das Bewusstsein für die psychologischen Mechanismen in solchen Verfahren sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das abgekürzte Verfahren nicht zur Verkürzung der Gerechtigkeit führt.

  • Kriminologie: Einblick in die Ursachen von Straftaten

    Die Kriminologie untersucht die Ursachen, Erscheinungsformen und Bekämpfungsmöglichkeiten von Kriminalität. Dabei spielt die Verbindung zwischen gesellschaftlichen, psychologischen und biologischen Faktoren eine zentrale Rolle. In diesem Beitrag beleuchten wir die theoretischen Grundlagen und ein Praxisbeispiel, ergänzt durch einen Kommentar und relevante Rechtsprechung (BGE). Theoretische Grundlagen Die Kriminologie stützt sich auf verschiedene Ansätze, um kriminelles Verhalten zu erklären: Biologische Ansätze:  Kriminalität wird hier als Ergebnis genetischer oder neurologischer Faktoren betrachtet. Psychologische Ansätze:  Persönlichkeitsmerkmale, Traumata oder Erziehungsdefizite werden als Hauptursachen angesehen. Soziologische Ansätze:  Kriminalität wird durch soziale Ungleichheit, fehlende Integration oder problematische Umwelteinflüsse erklärt. Beispiel: Jugendkriminalität und soziale Integration Frau P., eine alleinerziehende Mutter, zieht mit ihrem 16-jährigen Sohn M. in eine Großstadt. M. hat Schwierigkeiten, sich in der neuen Schule zu integrieren und gerät in eine Jugendbande, die für Sachbeschädigungen und kleinere Diebstähle verantwortlich ist. Eines Abends wird M. von der Polizei verhaftet, nachdem er mit zwei weiteren Jugendlichen in ein Geschäft eingebrochen ist. Gegen M. wird ein Verfahren wegen Einbruchdiebstahls nach Art. 139 StGB eröffnet. Analyse aus kriminologischer Sicht Individuelle Faktoren: M. zeigt Verhaltensauffälligkeiten, die auf emotionale Unsicherheiten und mangelnde Aufsicht zurückzuführen sind. Die neue Umgebung hat bei ihm Anpassungsschwierigkeiten und Frustration ausgelöst. Soziale Faktoren: Der Umzug und die damit verbundene Isolation haben M. in eine Position der sozialen Benachteiligung gebracht. Die Jugendbande bietet ihm Anerkennung und Zugehörigkeit, die er anderswo nicht findet. Kriminologisches Modell: Der Fall kann durch die Theorie der differentiellen Assoziation erklärt werden: M. hat kriminelles Verhalten durch den Kontakt mit delinquenten Jugendlichen erlernt. Rechtlicher Verlauf Strafantrag und Untersuchung:  Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Diebstahls und Sachbeschädigung. Erziehungsmaßnahme:  Das Jugendgericht ordnet statt einer Strafe Sozialstunden und die Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training an. Diese Maßnahme wird gemäß Art. 82 StGB gerechtfertigt. Kommentar Jugendkriminalität ist ein vielschichtiges Problem, das nicht nur durch individuelle Fehlentscheidungen, sondern auch durch gesellschaftliche Faktoren beeinflusst wird. Der Fall von M. zeigt, wie wichtig Präventionsarbeit und frühzeitige Intervention sind. Statt allein auf strafrechtliche Sanktionen zu setzen, ist die Kombination aus erzieherischen Maßnahmen und sozialer Unterstützung erfolgversprechend. Im Entscheid BGE 126 IV 34 hat das Bundesgericht betont, dass bei Jugendlichen die erzieherische Wirkung von Maßnahmen im Vordergrund stehen muss. Sanktionen sollen der Resozialisierung dienen und gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit wahren. Fazit Die Kriminologie bietet wertvolle Ansätze, um Kriminalität zu verstehen und effektive Präventionsstrategien zu entwickeln. Der Fall von M. verdeutlicht, wie wichtig es ist, nicht nur die Tat, sondern auch die dahinterliegenden Ursachen zu analysieren. Rechtsprechung wie BGE 126 IV 34 unterstreicht den Grundsatz, dass Resozialisierung bei jugendlichen Straftätern oberste Priorität haben sollte.

  • Der Notwehrexzess – Ein ausführliches Beispiel

    Das Konzept der Notwehr ist eine zentrale Regelung im Strafrecht, die es einem Menschen erlaubt, sich gegen rechtswidrige Angriffe zu verteidigen. Doch was passiert, wenn die Verteidigung die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschreitet? Dies wird als Notwehrexzess  bezeichnet und in Art. 16 StGB geregelt. Was ist Notwehrexzess? Ein Notwehrexzess liegt vor, wenn sich eine Person zwar in einer Notwehrlage befindet, dabei jedoch unverhältnismäßige Mittel einsetzt oder die Notwehr in ihrer Intensität überschreitet. Es gibt zwei wesentliche Arten: Intensiver Notwehrexzess:  Die Verteidigung ist nicht mehr angemessen im Verhältnis zum Angriff. Extensiver Notwehrexzess:  Die Verteidigung erfolgt, obwohl der Angriff bereits beendet ist. Der Fall: Übertriebene Verteidigung bei einem Einbruch Frau M. lebt allein in einem Einfamilienhaus. Eines Nachts wird sie durch das Klirren von Glas geweckt. Sie sieht eine Person, die durch das Wohnzimmerfenster einzudringen versucht. In Panik greift sie zu einer in der Nähe liegenden Baseballschläger und stürmt auf den Einbrecher zu. Sie schlägt mehrfach auf ihn ein, obwohl dieser nach dem ersten Schlag wehrlos am Boden liegt. Der Einbrecher erleidet schwere Verletzungen, darunter mehrere Knochenbrüche. Ablauf des Strafverfahrens Ermittlungsverfahren: Die Polizei wird von Nachbarn alarmiert, die den Lärm hören. Frau M. gibt an, aus Angst und Panik gehandelt zu haben. Der Einbrecher, Herr B., wird ins Krankenhaus gebracht und erstattet Anzeige wegen schwerer Körperverletzung. Anklage durch die Staatsanwaltschaft: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Frau M. wegen schwerer Körperverletzung nach Art. 122 StGB. Die Ermittler stellen fest, dass Herr B. nach dem ersten Schlag wehrlos war und keine Bedrohung mehr darstellte. Verteidigungsstrategie: Frau M.'s Anwalt plädiert auf Notwehrexzess gemäß Art. 16 StGB. Es wird argumentiert, dass Frau M. aufgrund der nächtlichen Überraschung in eine starke Angstreaktion geriet und ihr Handeln dadurch beeinflusst wurde. Ein psychologisches Gutachten bescheinigt Frau M. eine panikbedingte Überreaktion. Hauptverhandlung: Frau M. schildert ihre Panik und die Angst um ihr Leben. Der psychologische Gutachter erklärt, dass ihre Reaktion durch eine akute Stresssituation ausgelöst wurde. Das Gericht berücksichtigt die Schwere der Verletzungen des Opfers und die Tatsache, dass Frau M. hätte aufhören können, nachdem die Gefahr gebannt war. Urteil: Das Gericht erkennt den Notwehrexzess an und mildert das Strafmaß. Frau M. wird zu einer Geldstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Sie wird zudem zu einem Schadensersatz an Herrn B. verpflichtet. Wichtige Aspekte des Notwehrexzesses Subjektiver Faktor:  Entscheidend ist, ob die Überreaktion aus einer nachvollziehbaren Stresssituation resultierte. Verhältnismäßigkeit:  Auch in Panik darf die Verteidigung nicht völlig unverhältnismäßig sein. Milderung:  Das Gesetz erlaubt eine Strafmilderung, wenn der Exzess durch verständliche Emotionen wie Angst oder Verwirrung ausgelöst wurde. Fazit Der Notwehrexzess zeigt, wie schwierig die Abgrenzung zwischen gerechtfertigter Verteidigung und strafbarer Handlung sein kann. Gerade in stressigen Ausnahmesituationen ist es wichtig, die Umstände sorgfältig zu prüfen und sowohl die Perspektive des Täters als auch die des Opfers zu berücksichtigen. Für Betroffene ist eine rechtzeitige juristische Beratung unverzichtbar, um ihre Handlung zu bewerten und eine faire Verteidigung zu gewährleisten.

  • Praktisches Beispiel zur Verteidigung im Strafverfahren

    Das Strafrecht schützt grundlegende Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Eigentum und die öffentliche Ordnung. Zugleich regelt es das Vorgehen gegen Personen, die Straftaten begangen haben. Ein Fallbeispiel kann verdeutlichen, wie die verschiedenen Aspekte des Strafrechts in der Praxis zur Anwendung kommen. Der Fall: Körperverletzung nach einer Auseinandersetzung Herr K. und Herr L. geraten auf einer Party in eine hitzige Diskussion, die in eine körperliche Auseinandersetzung mündet. Herr L. erleidet dabei eine gebrochene Nase und mehrere Prellungen. Die Polizei wird gerufen, und Herr K. wird vorläufig festgenommen. Gegen ihn wird ein Strafverfahren wegen Körperverletzung nach Art. 122 StGB eingeleitet. Ablauf des Strafverfahrens Ermittlungsverfahren: Die Polizei nimmt die Aussagen von Herr K., Herr L. und mehreren Zeugen auf. Die ärztliche Untersuchung von Herr L. dokumentiert die Verletzungen. Herr K. behauptet, er habe in Notwehr gehandelt, da Herr L. zuerst handgreiflich geworden sei. Strafantrag und Staatsanwaltschaft: Herr L. stellt Strafantrag gegen Herr K. und konstituierte sich als Privatkläger Die Staatsanwaltschaft prüft die Akten und erhebt Anklage wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung. Verteidigungsstrategie: Herr K.'s Anwalt argumentiert, dass sein Mandant sich lediglich gegen einen Angriff gewehrt habe. Er beruft sich auf Notwehr gemäß Art. 15 StGB. Zudem werden Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Zeugen geäußert, da dieser während der Auseinandersetzung alkoholisiert war und unter Drogeneinfluss stand. Hauptverhandlung: Vor Gericht schildern Herr K. und Herr L. ihre Sicht der Ereignisse. Die Verteidigung legt Videoaufnahmen vor, die zeigen, dass Herr L. tatsächlich den ersten Schlag ausgeführt hat. Der medizinische Gutachter erklärt, dass die Verletzungen von Herr L. mit einem kurzen Schlagabtausch vereinbar sind. Urteil: Das Gericht stellt fest, dass Herr K. in einer akuten Bedrohungslage gehandelt hat. Es erkennt das Vorliegen von Notwehr an und spricht ihn frei. Herr K. wird lediglich verwarnt, da er den Konflikt hätte deeskalieren können, anstatt sich auf eine körperliche Auseinandersetzung einzulassen. Wichtige Aspekte des Strafrechts im Beispiel Notwehr (Art. 15 StGB):  Eine Handlung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abzuwehren, ist gerechtfertigt. Beweisführung:  Videoaufnahmen und Zeugenaussagen spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung des Sachverhalts. Anwaltsstrategie:  Die Verteidigung muss nicht nur die Unschuld ihres Mandanten beweisen, sondern auch mögliche Fehler in der Anklage aufzeigen. Verhältnismäßigkeit:  Auch bei berechtigter Notwehr darf die Abwehr nicht unverhältnismäßig sein. Fazit Dieses Beispiel zeigt, wie komplex die Beurteilung eines Vorfalls im Strafrecht sein kann. Es unterstreicht die Bedeutung einer fundierten Verteidigung und einer sorgfältigen Beweisaufnahme. Für Betroffene ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen Beistand zu suchen, um ihre Rechte bestmöglich zu wahren.

  • Unterhaltsklage (oft unerlässlich)

    Familienrecht: Unterhaltsansprüche und deren Durchsetzung Das Familienrecht spielt eine zentrale Rolle im Leben vieler Menschen, da es grundlegende Aspekte wie Ehe, Scheidung, elterliche Sorge und Unterhalt regelt. Ein häufiges Thema, das sowohl juristisch als auch emotional herausfordernd ist, betrifft die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen. Was ist ein Unterhaltsanspruch? Ein Unterhaltsanspruch entsteht, wenn eine Person rechtlich dazu verpflichtet ist, einer anderen Person finanzielle Unterstützung zu leisten. Dies kann in folgenden Konstellationen der Fall sein: Kindesunterhalt:  Eltern sind verpflichtet, für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen, unabhängig davon, ob sie verheiratet, geschieden oder getrennt sind. Ehegattenunterhalt:  Nach einer Scheidung oder Trennung kann ein Ehepartner Anspruch auf Unterhalt haben, insbesondere wenn ein erhebliches Einkommensgefälle besteht. Verwandtenunterhalt:  Unter bestimmten Umständen können auch andere Familienangehörige, wie etwa Eltern, einen Unterhaltsanspruch geltend machen. Beispiel: Unterhaltsklage nach einer Scheidung Frau Müller und Herr Müller ließen sich 2022 scheiden. Während der Ehe kümmerte sich Frau Müller um die Erziehung der beiden gemeinsamen Kinder und verzichtete auf eine berufliche Karriere. Nach der Scheidung vereinbarten die Parteien, dass Herr Müller Kindesunterhalt in Höhe von 1.200 CHF monatlich zahlt und Frau Müller 800 CHF Ehegattenunterhalt erhält. Ein Jahr später zahlte Herr Müller keinen Unterhalt mehr und berief sich darauf, dass er seinen Job verloren habe. Frau Müller geriet dadurch in finanzielle Schwierigkeiten und wandte sich an die Kunz Law Firm, um den Unterhalt gerichtlich durchzusetzen. Schritte zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs Aufforderung zur Zahlung:  Zunächst wurde Herr Müller schriftlich aufgefordert, die ausstehenden Beträge zu zahlen. In diesem Schreiben wurde eine Frist gesetzt, um die Zahlungsbereitschaft zu prüfen. Einleitung eines Gerichtsverfahrens:  Da Herr Müller nicht reagierte, beantragte Frau Müller eine Unterhaltsklage beim Regionalgericht. Das Gericht ordnete eine Anhörung an. Prüfung der finanziellen Lage:  Im Verfahren legte Herr Müller Nachweise über seine Arbeitslosigkeit vor. Das Gericht stellte jedoch fest, dass er eine Abfindung in Höhe von 50.000 CHF erhalten hatte, die er zur Begleichung seiner Unterhaltspflichten hätte verwenden können. Gerichtsurteil:  Das Gericht entschied, dass Herr Müller die rückständigen Beträge innerhalb von drei Monaten nachzahlen und weiterhin den monatlichen Unterhalt leisten muss. Zudem wurde ihm auferlegt, einen neuen Job anzunehmen oder sich nachweislich um eine Anstellung zu bemühen. Wichtige Hinweise Rechtsberatung:  Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen ist oft komplex. Eine frühzeitige rechtliche Beratung ist daher unerlässlich. Unentgeltliche Rechtspflege:  In vielen Fällen können Betroffene unentgeltliche Rechtspflege in Anspruch nehmen, wenn sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die Kosten eines Verfahrens zu tragen. Ein entsprechender Antrag kann bei Gericht gestellt werden. Vollstreckung:  Falls der Unterhaltspflichtige auch nach einem Urteil nicht zahlt, kann eine Lohnpfändung oder die Beantragung von Sozialleistungen erfolgen. Anpassung:  Sollte sich die finanzielle Lage einer Partei ändern, können Unterhaltsansprüche im Rahmen einer Abänderungsklage angepasst werden. Fazit Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen erfordert nicht nur rechtliches Fachwissen, sondern auch Empathie und Beharrlichkeit. Betroffene sollten keine Scheu haben, rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um ihre Ansprüche zu sichern. Das obige Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, klare Vereinbarungen zu treffen und diese, wenn nötig, gerichtlich durchzusetzen.

  • Totschlag und die Risiken der stationären Massnahme nach Art. 59 StGB - Ein Fallbeispiel zur Problematik

    Einleitung Die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB stellt eine Möglichkeit dar, den Schutz der Öffentlichkeit bei schweren psychischen Störungen eines Täters sicherzustellen. Gleichzeitig birgt diese Massnahme Risiken, insbesondere im Hinblick auf die potenziell unbefristete Verlängerung und die mögliche Umwandlung in eine Verwahrung nach Art. 64 StGB. Im Volksmund wird die Massnahme nach Art. 59 auch als die "kleine Verwahrung" bezeichnet. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Bezeichnung irreführend sein kann, da sich die stationäre Massnahme von der Verwahrung nach Art. 64 insbesondere durch ihren therapeutischen Ansatz unterscheidet. Das folgende Fallbeispiel illustriert diese Problematik anhand eines Totschlagsverfahrens und zeigt auf, welche Schwierigkeiten bei der Entscheidung für oder gegen eine solche Massnahme entstehen können. Fallbeispiel: Der Fall von Daniel R. Daniel R., 38 Jahre alt, wurde wegen Totschlags angeklagt, nachdem er in einem Streit seinen Arbeitskollegen getötet hatte. Der Vorfall ereignete sich in einem Moment, in dem Daniel sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Seit Jahren litt er an einer nicht diagnostizierten schweren Depression, die in der Zeit vor der Tat durch beruflichen Stress und private Konflikte verstärkt wurde. Zum Zeitpunkt der Tat war er von starken Gefühlen der Hoffnungslosigkeit und Wut übermannt und verlor die Kontrolle über sein Handeln. Im anschliessenden Verfahren wurde ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, das eine schwere psychische Störung bei Daniel R. diagnostizierte. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass Daniel zur Tatzeit nur eingeschränkt schuldfähig gewesen sei und dass das Risiko weiterer Gewaltakte bestehe, wenn seine psychische Erkrankung unbehandelt bliebe. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher neben einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren auch eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB. Die Entscheidung für die Massnahme nach Art. 59 StGB Das Gericht folgte der Empfehlung der Staatsanwaltschaft und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an. Gemäss Art. 59 StGB kann eine solche Massnahme dann angeordnet werden, wenn der Täter an einer schweren psychischen Störung leidet und die Gefahr besteht, dass er weitere schwerwiegende Straftaten begehen könnte. In diesem Fall sah das Gericht die Voraussetzungen als erfüllt an: Die schwere Depression von Daniel R. und die hohe Wahrscheinlichkeit eines erneuten Gewaltausbruchs sprachen für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Massnahme nach Art. 59 StGB grundsätzlich vor der Freiheitsstrafe verbüsst werden muss. Theoretisch kann es dazu kommen, dass die Massnahme nach beispielsweise drei Jahren beendet wird oder in eine mildere Form, wie eine ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB, umgewandelt wird. In einem solchen Fall könnte es sogar sein, dass die Freiheitsstrafe vollständig erlassen wird. Dies bedeutet, dass Daniel R. theoretisch nach drei Jahren entlassen werden könnte, obwohl die ursprüngliche Strafe auf sieben Jahre angesetzt war. Dennoch ist diese Möglichkeit in der Praxis eher unwahrscheinlich, da die Verlängerung der stationären Massnahme um weitere fünf Jahre oft wahrscheinlicher ist, insbesondere wenn keine wesentlichen Fortschritte festgestellt werden. Problematik der Verlängerung, menschenrechtliche Aspekte und Umwandlung in eine Verwahrung Ein entscheidender Punkt, der im Fall von Daniel R. problematisch werden sollte, war die Dauer und die mögliche Verlängerung der Massnahme. Nach Art. 59 Abs. 4 StGB wird die stationäre Massnahme zunächst für maximal fünf Jahre angeordnet, kann jedoch wiederholt verlängert werden, solange die Gefahr weiterer Straftaten besteht und keine ausreichende Besserung des psychischen Zustands des Täters eintritt. Im Falle von Daniel R. zeigte die Therapie während der ersten fünf Jahre nur begrenzte Fortschritte. Die behandelnden Ärzte stuften ihn weiterhin als gefährlich ein, da er nach wie vor starke depressive Episoden und unkontrollierte Wutausbrüche zeigte. Somit wurde die Massnahme um weitere fünf Jahre verlängert. Dies führte bei Daniel zu wachsender Verzweiflung, da er keine Aussicht darauf hatte, sein Leben in Freiheit wieder aufzunehmen, und er zunehmend das Vertrauen in die Therapie verlor. Der Fall von Daniel R. erinnert an den Fall I.L. gegen die Schweiz, der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden wurde. I.L. wurde zunächst zu einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB verurteilt, verbrachte jedoch die ersten Jahre nicht in einer geeigneten Therapieeinrichtung, sondern überwiegend in Einzelhaft. Der EGMR stellte in seiner Entscheidung fest, dass die über drei Jahre dauernde Einzelhaft eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellte und dass die fehlende angemessene medizinische Betreuung eine Verletzung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darstellte. Ebenso wurde festgestellt, dass der Freiheitsentzug im Sinne von Art. 5 EMRK widerrechtlich war, da keine geeignete therapeutische Behandlung angeboten wurde. Die Problematik der fehlenden Therapieplätze ist besonders im Kanton Bern ein bekanntes und drängendes Problem. Die Platznot herrscht nicht nur in den Gefängnissen, sondern auch in forensisch-psychiatrischen Kliniken, in denen es für schwer gestörte Straftäter überhaupt keine Therapieplätze gibt. Der Kanton Bern hat einen Bedarf von rund 30 solchen Plätzen, dennoch müssen verurteilte Straftäter teils Jahre in Gefängnissen auf einen Therapieplatz warten – wie etwa der als "Schläger von Schüpfen" bekannt gewordene Igor L. In der neuen Justizvollzugsstrategie hat die Polizei- und Militärdirektion (POM) aufgezeigt, dass ein Ausbau der forensischen Station Etoine der psychiatrischen Klinik Waldau eine Lösung sein könnte. Diese Kapazitätsprobleme tragen maßgeblich zu den Verzögerungen und zu einer möglicherweise unangemessenen Unterbringung bei, was die Risiken für Menschenrechtsverletzungen weiter erhöht. Diese menschenrechtlichen Überlegungen sind auch für den Fall von Daniel R. von Bedeutung. Die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB sollte sicherstellen, dass der Täter eine auf seine psychische Störung abgestimmte Therapie erhält, um ihn zu rehabilitieren. Das Versagen, eine geeignete Einrichtung bereitzustellen, kann nicht nur den therapeutischen Erfolg beeinträchtigen, sondern auch die Menschenrechte des Täters verletzen. Zudem zeigt der Fall I.L. auf, dass eine fehlende oder unangemessene Behandlung in einer ungeeigneten Haftumgebung das Risiko einer langfristigen Freiheitsentziehung erhöht und letztlich zu einer Verwahrung führen kann. Diese menschenrechtlichen Überlegungen sind auch für den Fall von Daniel R. von Bedeutung. Die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB sollte sicherstellen, dass der Täter eine auf seine psychische Störung abgestimmte Therapie erhält, um ihn zu rehabilitieren. Das Versagen, eine geeignete Einrichtung bereitzustellen, kann nicht nur den therapeutischen Erfolg beeinträchtigen, sondern auch die Menschenrechte des Täters verletzen. Zudem zeigt der Fall I.L. auf, dass eine fehlende oder unangemessene Behandlung in einer ungeeigneten Haftumgebung das Risiko einer langfristigen Freiheitsentziehung erhöht und letztlich zu einer Verwahrung führen kann. Schliesslich stellte die Staatsanwaltschaft nach fast zehn Jahren einen Antrag auf Umwandlung der stationären Massnahme in eine Verwahrung nach Art. 64 StGB. Dieser Antrag stützte sich auf die Einschätzung der Gutachter, dass Daniel R. auf absehbare Zeit eine erhebliche Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen würde und dass keine wesentliche Verbesserung seines Zustands zu erwarten sei. Das Gericht stimmte diesem Antrag zu und ordnete die Verwahrung an. Rechtliche Betrachtung und BGE-Entscheide Der Entscheid zur Umwandlung einer therapeutischen Massnahme in eine Verwahrung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Beschuldigten. Das Bundesgericht stellt klar, dass eine Verwahrung nur dann angeordnet werden darf, wenn keine Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie besteht und das Risiko für die Öffentlichkeit erheblich ist. In diesem Fall stützte sich das Gericht auf die Gutachten, die keine Besserung des Zustands von Daniel R. prognostizierten. Der Trechsel Kommentar zu Art. 59 StGB weist darauf hin, dass die Anordnung einer stationären Massnahme grundsätzlich im Interesse des Beschuldigten liegen sollte, da sie eine therapeutische Behandlung und die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft bietet. Doch die potenziell unbefristete Verlängerung der Massnahme kann dazu führen, dass der Beschuldigte de facto länger festgehalten wird als bei einer reinen Freiheitsstrafe. Diese Unsicherheit kann für den Beschuldigten eine erhebliche psychische Belastung darstellen und die Motivation zur Mitarbeit in der Therapie mindern. Regelmässige gerichtliche Überprüfungen sind hierbei von entscheidender Bedeutung. Das Gericht muss sicherstellen, dass die Massnahme weiterhin verhältnismässig ist und dass sie nicht länger dauert, als es zur Therapie des Beschuldigten erforderlich ist. Die Überprüfungspflicht soll verhindern, dass Beschuldigte ohne Perspektive festgehalten werden, wenn eine Fortsetzung der Massnahme nicht mehr gerechtfertigt ist. Kommentar zur Entscheidung und Bezug zur EMRK Der Fall von Daniel R. zeigt die komplexen und problematischen Aspekte der Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB auf. Während eine Freiheitsstrafe klar begrenzt ist und nach Ablauf der festgesetzten Zeit endet, kann eine therapeutische Massnahme unter Umständen immer wieder verlängert werden. Dies schafft eine Unsicherheit, die nicht nur für den Beschuldigten belastend ist, sondern auch die Frage aufwirft, ob die Rechte des Täters ausreichend gewährleistet sind. Besonders im Hinblick auf die Menschenrechte des Beschuldigten sind diese Fragen bedeutsam. Der EGMR-Entscheid im Fall I.L. zeigt, dass eine unsachgemäße Unterbringung und der Mangel an angemessener medizinischer Betreuung die Rechte der Beschuldigten erheblich verletzen können. Die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB darf nicht zu einer unbestimmten Freiheitsentziehung führen, ohne dass der Betroffene die notwendige Unterstützung erhält. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Art. 3 und 5 EMRK, die ein menschenwürdiges Haftumfeld und die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs sicherstellen sollen. Der Basler Kommentar und die aktuelle Rechtsprechung verdeutlichen die Gratwanderung, die bei der Anordnung einer solchen Massnahme notwendig ist. Der Schutz der Öffentlichkeit muss gegen die Rechte des Beschuldigten abgewogen werden, insbesondere in Bezug auf die Verhältnismässigkeit und die Dauer der Massnahme. Im Fall von Daniel R. führte die langjährige Perspektivlosigkeit letztlich zur Verwahrung, was zeigt, wie schnell eine therapeutische Massnahme in eine lebenslange Freiheitsentziehung umschlagen kann. Fazit Die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB bietet Chancen, aber auch erhebliche Risiken. Der Fall von Daniel R. illustriert, wie eine solche Massnahme in eine unbefristete Freiheitsentziehung übergehen kann, wenn die Therapie nicht erfolgreich ist. Dies stellt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit infrage und zeigt, dass eine solche Entscheidung für den Beschuldigten oft mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass solche Massnahmen sorgfältig geprüft und regelmässig evaluiert werden, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich im Interesse des Beschuldigten und der Öffentlichkeit sind.

  • Sorgerechtsstreit und das Kindeswohl - Ein komplexes Fallbeispiel aus dem Familienrecht

    Einleitung Sorgerechtsstreitigkeiten gehören zu den sensibelsten Bereichen des Familienrechts. Sie erfordern eine besonders sorgfältige Abwägung, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten. Im folgenden Fallbeispiel wird ein Sorgerechtsstreit zwischen den Eltern behandelt, in dem die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und das Gericht involviert waren. Das Fallbeispiel zeigt nicht nur die rechtlichen Herausforderungen, sondern beleuchtet auch die Rolle der Eltern, der KESB und des Gerichts im Licht der geltenden Rechtsprechung und Kommentare. Fallbeispiel: Sorgerechtsstreit zwischen Lisa und Stefan Lisa und Stefan sind die Eltern der sechsjährigen Anna. Nach ihrer Trennung im Jahr 2021 beschlossen sie zunächst, das gemeinsame Sorgerecht beizubehalten, um Anna ein stabiles Umfeld zu bieten. Lisa war die hauptsächliche Betreuungsperson, während Stefan das Besuchsrecht zugesprochen wurde. Die Vereinbarung funktionierte so lange, bis Lisa sich entschloss, aus beruflichen Gründen nach Basel zu ziehen, während Stefan in Zürich blieb. Stefan war mit dem geplanten Umzug nicht einverstanden, da er befürchtete, dass die Beziehung zu Anna unter der Distanz leiden würde. Lisa hingegen argumentierte, dass der Umzug notwendig sei, um ihre beruflichen Chancen zu verbessern und damit letztlich auch Annas Lebensqualität zu erhöhen. Die KESB wurde eingeschaltet, um die Situation zu bewerten und eine Empfehlung für das Gericht abzugeben. Rechtliche Betrachtung Im Zentrum des Streits stand die Frage, ob der Umzug von Lisa im besten Interesse des Kindes sei und ob es das gemeinsame Sorgerecht beeinträchtigen würde. Gemäss Art. 301a ZGB ist die Zustimmung des anderen Elternteils notwendig, wenn ein Umzug die Ausübung der elterlichen Sorge erheblich beeinflussen kann. Stefan verweigerte die Zustimmung, sodass Lisa den Weg zum Gericht beschreiten musste. Der BGE 142 III 481 stellte klar, dass bei einer Sorgerechtsänderung das Wohl des Kindes oberste Priorität hat. In diesem Entscheid betonte das Bundesgericht, dass bei einem Umzug besonders prüfen sei, ob die bisherigen Betreuungsregelungen und die Beziehungspflege zu beiden Elternteilen weiterhin gewährleistet werden können. Zudem hob der Basler Kommentar zu Art. 301a ZGB hervor, dass bei einem solchen Fall immer das Alter des Kindes und seine Bindung zu beiden Elternteilen entscheidend sind. Entscheidung der KESB und des Gerichts Die KESB empfahl eine Mediation zwischen Lisa und Stefan, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. In der Mediation konnte jedoch keine Einigung erzielt werden, da beide Elternteile auf ihrer Position beharrten. Stefan wollte, dass Anna in Zürich bleibt, während Lisa auf den Umzug nach Basel bestand. Das Regionalgericht Bern-Mittelland entschied schliesslich zugunsten von Lisa, allerdings unter bestimmten Auflagen. Lisa durfte nach Basel ziehen, jedoch nur unter der Bedingung, dass sie regelmässige Fahrten nach Zürich unternimmt, um sicherzustellen, dass Anna weiterhin eine enge Beziehung zu ihrem Vater pflegen kann. Das Gericht bezog sich dabei auf den BGE 144 III 1, in dem betont wird, dass beide Elternteile verpflichtet sind, eine tragfähige Lösung zum Wohl des Kindes zu finden, auch wenn dies persönliche Einschränkungen bedeutet. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der Umzug das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr mit beiden Elternteilen nicht beeinträchtigen dürfe. Das Gericht legte fest, dass Stefan ein erweitertes Besuchsrecht erhalten sollte, das ihm auch Übernachtungen ermöglichte, um die Bindung zu Anna zu stärken. Kommentar zur Entscheidung Der Entscheid des Gerichts zeigt, dass im Familienrecht stets eine ausgewogene Lösung angestrebt wird, die das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt. Der BGE 142 III 481 sowie der BGE 144 III 1 unterstreichen beide, dass das Kindeswohl nicht allein von praktischen Erwägungen der Eltern abhängen darf. Vielmehr muss jede Entscheidung die Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes und seine Beziehung zu beiden Elternteilen sorgfältig abwägen. Der Basler Kommentar zu Art. 301a ZGB betont zudem die Wichtigkeit der Kooperationspflicht beider Eltern. In diesem Fall bedeutete dies für Lisa, dass sie sich trotz des Umzugs aktiv um den Kontakt zwischen Anna und Stefan bemühen musste. Diese Kooperationspflicht stellt sicher, dass das Kind nicht zwischen den Elternteilen hin- und hergerissen wird und dass es eine stabile Beziehung zu beiden aufbauen kann. Fazit Der vorliegende Fall verdeutlicht die Herausforderungen, die bei Sorgerechtsstreitigkeiten entstehen können, wenn sich die Lebensumstände eines Elternteils ändern. Das Gericht und die KESB sind gefordert, alle relevanten Aspekte sorgfältig zu prüfen, um das Kindeswohl zu gewährleisten. Der Einbezug der aktuellen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur hilft, eine fundierte Entscheidung zu treffen, die sowohl den Bedürfnissen des Kindes als auch den Rechten der Eltern gerecht wird. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, dass beide Eltern im Sinne des Kindes zusammenarbeiten, um eine harmonische und stabile Entwicklung zu fördern.

  • Titel: Sorgerechtsstreit und die Rolle der KESB - Ein Fallbeispiel aus dem Familienrecht

    Einleitung Familienrechtliche Streitigkeiten können oft komplex und emotional belastend sein. Das folgende Fallbeispiel zeigt einen Sorgerechtsstreit, bei dem die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) involviert wurde. Der Fall illustriert nicht nur die rechtlichen Aspekte, sondern auch die Rolle der verschiedenen Akteure im schweizerischen Familienrecht, unterstützt durch rechtliche Kommentare und BGE-Entscheidungen. Fallbeispiel: Der Sorgerechtsstreit zwischen Maria und Thomas Maria und Thomas sind Eltern der achtjährigen Sophie. Nach der Trennung im Jahr 2022 beschlossen sie, das gemeinsame Sorgerecht beizubehalten, um Sophie einen stabilen Lebensalltag zu ermöglichen. Maria übernahm dabei die hauptsächliche Betreuung, während Thomas ein großzügiges Besuchsrecht eingeräumt wurde. Beide Elternteile waren zunächst bereit, an einer konstruktiven Ko-Elternschaft zu arbeiten. Nach etwa einem Jahr veränderten sich die Umstände jedoch: Thomas zog berufsbedingt von Zürich nach Genf, was das regelmäßige Wahrnehmen seines Besuchsrechts erschwerte. Maria äußerte zunehmend Sorgen darüber, dass Sophies Wohl durch die ständige Umstellung der Besuchstermine beeinträchtigt werde. In dieser Situation wandte sich Maria an die KESB, um eine Überprüfung der bisherigen Sorgerechtsregelung zu veranlassen. Die KESB entschied, dass eine Mediation zwischen den Eltern erfolgen sollte, um den besten Weg für Sophies Wohlergehen zu finden. Thomas hingegen beantragte beim Regionalgericht Bern-Mittelland eine Abänderung der Sorgerechtsvereinbarung, um eine Alleinsorge für Sophie zu erhalten, da er der Ansicht war, dass Maria eine enge Beziehung zwischen ihm und Sophie bewusst verhindern wollte. Rechtliche Betrachtung und Würdigung Der Fall stützt sich insbesondere auf die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (ZGB) in Bezug auf das Sorgerecht und die elterliche Sorge. Art. 298 ZGB regelt die gemeinsame elterliche Sorge und sieht vor, dass diese nur in Ausnahmefällen aufgehoben werden kann, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten dient. Ein zentraler Punkt war, ob die Distanz zwischen den Wohnorten und die Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung des Besuchsrechts ausreichen, um eine solche Ausnahme darzustellen. Die KESB berücksichtigte dabei die aktuelle Rechtsprechung, insbesondere den BGE 145 III 393, welcher festlegt, dass das Kindeswohl oberste Priorität hat und pragmatische Lösungen zur Wahrung der Beziehung zu beiden Elternteilen zu suchen sind. In diesem Entscheid wird darauf hingewiesen, dass die Beziehungspflege nicht durch administrative Hürden oder Elternkonflikte beeinträchtigt werden darf. Entscheidung der KESB und des Gerichts Nach mehreren Gesprächen und einer umfassenden Anhörung der Beteiligten, einschließlich Sophie, entschied die KESB, dass es für Sophie von entscheidender Bedeutung sei, einen regelmäßigen und stabilen Kontakt zu beiden Elternteilen zu haben. Aus diesem Grund empfahl die KESB eine Anpassung der Besuchsregelungen, anstatt die gemeinsame Sorge aufzuheben. Das Regionalgericht Bern-Mittelland folgte in seiner Entscheidung weitgehend der Empfehlung der KESB. In seinem Urteil verwies das Gericht auf den Basler Kommentar zu Art. 301 ZGB, welcher festhält, dass das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr mit beiden Elternteilen grundsätzlich zu wahren sei, auch wenn die Umstände schwieriger würden. Das Gericht betonte, dass Thomas verpflichtet sei, mit Maria eine tragfähige Lösung zu finden, auch wenn dies persönliche Einschränkungen, wie vermehrte Fahrten, bedeuten würde. Kommentar zur Entscheidung Dieser Fall zeigt, wie komplex die Abwägung zwischen dem Kindeswohl, den Bedürfnissen der Eltern und den äußeren Umständen sein kann. Der BGE 145 III 393 unterstreicht, dass das Kindeswohl immer an erster Stelle stehen muss und eine einseitige Alleinsorge nur dann infrage kommt, wenn keine andere Lösung zur Wahrung des Wohls des Kindes gefunden werden kann. Der Basler Kommentar betont zudem die Verpflichtung der Eltern zur Zusammenarbeit, um für das Kind eine stabile und harmonische Entwicklung zu ermöglichen. Die KESB als neutrale Instanz hat in diesem Fall eine zentrale Rolle gespielt, indem sie eine vermittelnde und präventive Funktion wahrgenommen hat. Anstatt eine Eskalation des Konflikts zuzulassen, wurde versucht, durch Mediation eine einvernehmliche Lösung zu finden, die langfristig im Interesse von Sophie ist. Fazit Das vorliegende Fallbeispiel zeigt die Wichtigkeit der Zusammenarbeit aller Beteiligten im Familienrecht, insbesondere wenn Kinder betroffen sind. Die KESB ist dabei nicht nur eine Kontrollinstanz, sondern agiert auch als Vermittler zwischen den Eltern, um das Kindeswohl sicherzustellen. Der Einbezug der aktuellen Rechtsprechung und der Kommentare wie des Basler Kommentars hilft, eine fundierte und rechtlich abgesicherte Entscheidung zu treffen, die den Interessen des Kindes gerecht wird.

  • Internationale Rechtshilfe: Schweizer Staatsbürger und das Auslieferungsverbot

    Das Thema der internationalen Rechtshilfe spielt in einer globalisierten Welt eine immer größere Rolle. Besonders relevant ist hierbei die Frage, unter welchen Bedingungen ein Staat die Auslieferung eigener Staatsbürger an andere Länder verweigert. Die Schweiz hat in diesem Zusammenhang eine klare Haltung eingenommen: Schweizer Staatsbürger dürfen nicht an ausländische Staaten ausgeliefert werden. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die rechtlichen Grundlagen, beleuchten das Prinzip der Nichtauslieferung und erläutern ein konkretes Fallbeispiel, das diese Thematik veranschaulicht. Rechtliche Grundlagen: Das Schweizer Auslieferungsverbot Die Auslieferung von Schweizer Staatsbürgern an ausländische Staaten ist im schweizerischen Recht klar geregelt. Grundlage dafür ist Art. 25 Abs. 1 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) , welcher festlegt: "Schweizer Bürger dürfen nicht an einen ausländischen Staat ausgeliefert werden." Diese Regelung schützt Schweizer Staatsbürger vor der Strafverfolgung durch ausländische Staaten und stellt sicher, dass sie in der Schweiz für Straftaten zur Verantwortung gezogen werden, die im Ausland begangen wurden. Dabei spielt auch das Prinzip der territorialen Souveränität  eine wichtige Rolle: Die Schweiz ist verpflichtet, ihre Bürger nach den eigenen Gesetzen und in Übereinstimmung mit den Grundrechten zu behandeln. Allerdings gibt es Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit, die sicherstellen sollen, dass Schweizer Staatsbürger nicht völlig straflos davonkommen, wenn sie im Ausland Straftaten begangen haben. Ein zentraler Punkt hierbei ist das internationale Rechtshilfegesetz (IRSG) , das die rechtlichen Rahmenbedingungen für die internationale Zusammenarbeit im Strafrecht definiert. Das Prinzip der "Stellvertretenden Strafverfolgung" Ein wichtiges Instrument der internationalen Rechtshilfe ist die Stellvertretende Strafverfolgung . Wenn die Schweiz die Auslieferung eines Staatsbürgers ablehnt, kann sie im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die strafrechtliche Verfolgung selbst übernehmen. Dies geschieht auf Grundlage von Art. 6 des Strafgesetzbuchs (StGB) , der es der Schweiz ermöglicht, eine Straftat zu verfolgen, die im Ausland begangen wurde, sofern eine Auslieferung des Tatverdächtigen nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Union von Bedeutung. Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, hat sie bilaterale Verträge abgeschlossen, die eine grenzüberschreitende Strafverfolgung und Zusammenarbeit ermöglichen, ohne dass dabei das Auslieferungsverbot umgangen wird (Siehe Schengen/Dublin). Fallbeispiel: Der Fall von Herrn Z. Um die Problematik der Auslieferung zu veranschaulichen, betrachten wir den fiktiven Fall von Herrn Z., einem Schweizer Staatsbürger, der in den USA wegen schwerer Wirtschaftskriminalität angeklagt wurde. Herr Z. arbeitete als hochrangiger Finanzberater in einer internationalen Bank und wurde beschuldigt, in den USA Betrug und Geldwäsche begangen zu haben. Die amerikanischen Behörden beantragten seine Auslieferung, um ihn in den USA vor Gericht zu stellen. Die Position der Schweiz Die Schweizer Behörden lehnten den Auslieferungsantrag der USA unter Berufung auf Art. 25 BV  ab. Nach Schweizer Recht dürfen eigene Staatsbürger nicht an ausländische Staaten ausgeliefert werden, selbst wenn schwerwiegende Vorwürfe gegen sie vorliegen. Stattdessen bot die Schweiz den USA an, Herrn Z. nach Schweizer Recht zu verfolgen. Im Rahmen der internationalen Rechtshilfe stellten die USA die relevanten Beweismittel zur Verfügung, die gegen Herrn Z. erhoben wurden. Auf dieser Grundlage leitete die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Herrn Z. ein, in dem er sich für die ihm vorgeworfenen Straftaten in der Schweiz verantworten musste. Der Prozess in der Schweiz Herr Z. wurde wegen schwerer Wirtschaftsdelikte angeklagt, und das Gericht stützte sich auf die von den US-Behörden übermittelten Beweise. Der Prozess gegen Herrn Z. verlief nach Schweizer Strafprozessordnung, wobei ihm die gleichen Rechte wie jedem anderen Angeklagten zustanden. Ein zentrales Element war die Frage, ob die in den USA erhobenen Beweise in der Schweiz zulässig waren. Gemäß den Grundsätzen der Rechtshilfe im Strafrecht konnten die Beweise genutzt werden, sofern sie in Übereinstimmung mit den Schweizer Vorschriften über die Beschaffung von Beweisen standen und keine grundlegenden Menschenrechte verletzt wurden. Nach einem intensiven Verfahren wurde Herr Z. in der Schweiz für schuldig befunden und zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe sowie einer erheblichen Geldstrafe verurteilt. Damit stellte die Schweiz sicher, dass ihr Staatsbürger für seine Taten zur Verantwortung gezogen wurde, ohne dass er den US-amerikanischen Justizbehörden ausgeliefert werden musste. Rechtliche Bewertung und Kommentare Dieser Fall veranschaulicht, wie die Schweiz das Auslieferungsverbot handhabt und gleichzeitig ihrer Verpflichtung zur internationalen Strafverfolgung nachkommt. Die Verurteilung von Herrn Z. zeigt, dass die Schweiz in der Lage ist, schwerwiegende Straftaten auch im eigenen Land zu ahnden, selbst wenn sie im Ausland begangen wurden. BGE 127 II 198  ist ein zentraler Bundesgerichtsentscheid, der die Prinzipien der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen verdeutlicht. In diesem Urteil hielt das Bundesgericht fest, dass die Schweiz grundsätzlich keine eigenen Staatsbürger ausliefert, jedoch verpflichtet ist, bei schwerwiegenden Straftaten im Ausland eigene Ermittlungen aufzunehmen und die Strafverfolgung durchzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das andere Land die Schweiz um Hilfe ersucht und die Beweise nach den Regeln des schweizerischen Rechts erlangt wurden. Kommentar zum IRSG : Nach Art. 1 IRSG  ist die Schweiz zur internationalen Zusammenarbeit verpflichtet, solange diese mit den grundlegenden Prinzipien ihrer Verfassung und dem Rechtsschutz im Einklang steht. Dies bedeutet, dass die Schweiz sich zwar nicht der Jurisdiktion anderer Länder unterwirft, aber dennoch die Erfordernisse der Strafverfolgung und der internationalen Gerechtigkeit anerkennt. Fazit: Ein Schutz mit Verantwortung Das Schweizer Verbot der Auslieferung eigener Staatsbürger ist ein klarer Ausdruck der staatlichen Souveränität und des Schutzes der eigenen Bürger. Gleichzeitig zeigt der Fall von Herrn Z., dass die Schweiz nicht davor zurückschreckt, strafrechtliche Verantwortung für ihre Bürger zu übernehmen. In einer Zeit der verstärkten internationalen Zusammenarbeit ist dieses Modell ein gelungenes Beispiel dafür, wie nationale Interessen mit globalen Anforderungen in Einklang gebracht werden können. Für die Schweiz ist es von zentraler Bedeutung, die Balance zwischen dem Schutz ihrer Staatsbürger und der internationalen Gerechtigkeit zu wahren. Durch die Möglichkeit der Stellvertretenden Strafverfolgung und die enge Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Rechtshilfe stellt die Schweiz sicher, dass Straftaten, die im Ausland begangen werden, nicht ungeahndet bleiben, während die Rechte der betroffenen Personen gewahrt werden. Quellen: Art. 25 Abs. 1 BV Art. 6 StGB Art. 1 IRSG BGE 127 II 198 BGE 113 Ib 257 (weitere Rechtsprechung zur internationalen Rechtshilfe) Anmerkung zu einer möglichen Untersuchungshaft: In unserem fiktiven Fall von Herrn Z. wurde er nicht unmittelbar festgenommen , da er sich bereits in der Schweiz aufhielt und nicht geflüchtet war. Stattdessen wurde Herr Z. von den Schweizer Behörden über das gegen ihn laufende Strafverfahren informiert und im Rahmen der Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Da die Schweiz im Rahmen ihrer Rechtshilfe mit den USA kooperierte, bestand keine unmittelbare Notwendigkeit einer Festnahme zur Sicherung seiner Auslieferung, da die Schweiz ohnehin keine Staatsbürger ausliefert. Jedoch wurde Herr Z. während der Ermittlungen unter bestimmte Auflagen gestellt, wie etwa das Hinterlegen seines Reisepasses und eine Meldepflicht bei der Polizei, um sicherzustellen, dass er sich nicht dem Verfahren entzieht. In der Regel  wird in solchen Fällen eine Untersuchungshaft  dann angeordnet, wenn Fluchtgefahr besteht oder eine Wiederholungsgefahr gesehen wird. Sollte Herr Z. versucht haben, das Land zu verlassen oder sich den Ermittlungen zu entziehen, wäre eine Festnahme gerechtfertigt gewesen. Da Herr Z. jedoch kooperierte und seinen Aufenthaltsort angab, wurde ihm die Untersuchungshaft erspart. Dieser Blogeintrag bietet eine umfassende Analyse des Auslieferungsverbots in der Schweiz und der internationalen Zusammenarbeit im Strafrecht. Er zeigt, wie die Schweiz ihre Staatsbürger schützt und gleichzeitig ihrer internationalen Verantwortung gerecht wird.

  • Fallstudie: Kriminalität im familiären Umfeld

    Ein Fall häuslicher Gewalt mit psychologischer Dimension In dieser Fallstudie wird ein Fall von häuslicher Gewalt analysiert, der sich in der Schweiz ereignet hat. Der Fall wirft wichtige Fragen zur Strafzumessung, zur Rolle der Persönlichkeitsstörungen und zur Bedeutung der Prävention auf. Wir beziehen uns auf einschlägige Artikel, Kommentare und Bundesgerichtsentscheide (BGE), um die rechtlichen und kriminologischen Aspekte zu beleuchten. Sachverhalt: Herr X und Frau Y, ein verheiratetes Paar, lebten seit mehreren Jahren in einer Beziehung, die zunehmend durch Konflikte und Aggressionen geprägt war. Herr X, ein 45-jähriger Mann, zeigte immer wieder aggressive Verhaltensweisen, insbesondere wenn er sich bedroht oder kontrolliert fühlte. Im Laufe der Ehe begann er, Frau Y emotional und körperlich zu misshandeln. Der Höhepunkt wurde erreicht, als Herr X Frau Y in einem Streit schwer verletzte. Sie erlitt schwere Prellungen und musste ärztlich behandelt werden. Frau Y reichte Strafanzeige ein, und Herr X wurde aufgrund von häuslicher Gewalt vor Gericht gestellt. Im Laufe der Ermittlungen stellte sich heraus, dass Herr X unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung  litt, die nicht diagnostiziert, aber durch ein psychologisches Gutachten im Verfahren festgestellt wurde. Seine narzisstischen Züge führten zu aggressivem Verhalten, insbesondere in Situationen, in denen er seinen Status oder seine Kontrolle gefährdet sah. Rechtliche Grundlage: Nach schweizerischem Strafrecht ist häusliche Gewalt in mehreren Artikeln des Strafgesetzbuches (StGB) verankert. Relevante Bestimmungen in diesem Fall umfassen: Art. 123 StGB  ( Einfache Körperverletzung ): Dieser Artikel regelt die Bestrafung von Körperverletzungen, die keine dauerhafte Schädigung hinterlassen, aber dennoch eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Schmerzen verursachen. Art. 126 StGB  ( Tätlichkeiten ): Dieser Artikel betrifft weniger schwere Formen der Gewaltanwendung, die keine bleibenden Schäden hinterlassen, aber dennoch strafbar sind, insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt. Art. 135 StGB  ( Gefährdung des Lebens ): Dieser Artikel behandelt schwerwiegende Fälle von Gewalt, bei denen das Leben des Opfers ernsthaft gefährdet ist. Darüber hinaus wurde in diesem Fall die psychische Erkrankung des Täters berücksichtigt, was zur Anwendung von Art. 19 StGB  ( Verminderte Schuldfähigkeit aufgrund psychischer Störungen ) führte. Gerichtsverfahren und Urteilsfindung: Das Gericht hatte die Aufgabe, die Schwere der Tat, die Rolle der Persönlichkeitsstörung und die Strafzumessung unter Berücksichtigung von Täter- und Opferperspektive zu bewerten. Bei der Urteilsfindung spielte das psychologische Gutachten eine zentrale Rolle. Dieses Gutachten wies auf die narzisstische Persönlichkeitsstörung von Herrn X hin, die als eine der wesentlichen Ursachen für sein aggressives Verhalten angesehen wurde. Psychologische Einschätzung : Herr X wurde als emotional instabil und stark auf den Erhalt von Kontrolle und Anerkennung fixiert beschrieben. Die Aggressionen wurden als Ausdruck seiner Unfähigkeit angesehen, mit emotionalem Druck und wahrgenommenem Statusverlust umzugehen. Das Gericht erkannte zwar die psychische Störung als mildernden Faktor an, stellte aber auch klar, dass Herr X trotz seiner Persönlichkeitsstörung in der Lage gewesen wäre, seine Handlungen zu kontrollieren. Aufgrund der festgestellten verminderten Schuldfähigkeit  (Art. 19 Abs. 2 StGB) wurde die Strafe jedoch gemildert. Das Gericht verurteilte Herrn X zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten, unter der Auflage einer Therapie nach Art. 63 StGB, um die narzisstischen Persönlichkeitszüge zu behandeln. Zusätzlich erhielt er ein fünfjähriges Kontakt- und Annäherungsverbot gegenüber Frau Y. Kommentar zu BGE und Rechtsprechung: BGE 136 IV 55  befasst sich mit der Frage der verminderten Schuldfähigkeit bei schweren Persönlichkeitsstörungen. In diesem Entscheid stellte das Bundesgericht klar, dass eine verminderte Schuldfähigkeit nur dann angenommen werden kann, wenn nachweislich eine erhebliche psychische Störung vorliegt, die die Steuerungsfähigkeit des Täters beeinträchtigt. Im Fall von Herrn X war die narzisstische Persönlichkeitsstörung nach Ansicht des Gerichts ein hinreichender Faktor, um die verminderte Schuldfähigkeit anzunehmen, jedoch nicht so gravierend, dass eine völlige Schuldunfähigkeit vorlag. Kommentar zu Art. 123 und 126 StGB : In Fällen häuslicher Gewalt kommt es oft zu einer Abgrenzung zwischen einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten. Bei wiederholten Handlungen, die in einem familiären Umfeld stattfinden, wird die Strafzumessung häufig verschärft, wie dies in BGE 128 IV 73  festgehalten wurde. Das Bundesgericht betonte, dass bei häuslicher Gewalt besonders schwerwiegende Konsequenzen auf die Opfer zu berücksichtigen sind, auch wenn es sich "nur" um Tätlichkeiten handelt, da das Vertrauensverhältnis in der Ehe gravierend erschüttert wird. Psychologische Kommentierung und Prävention : Aus kriminologischer Sicht ist es in Fällen wie diesem entscheidend, psychologische Präventionsprogramme in den Strafvollzug zu integrieren. Studien haben gezeigt, dass Täter mit narzisstischen oder antisozialen Persönlichkeitsstörungen besonders hohe Rückfallquoten aufweisen, wenn ihre Störung nicht behandelt wird. Die Restorative Justice -Ansätze, die auf Wiedergutmachung und soziale Reintegration zielen, könnten hier wertvolle Ansätze bieten, um der Spirale von Gewalt vorzubeugen. Präventionsmaßnahmen und Opferschutz: In der Schweiz wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt eingeführt, die auf Art. 28b ZGB (Schutzmaßnahmen bei Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen) beruhen. Diese Bestimmung ermöglicht es den Opfern, Schutzmaßnahmen wie Wegweisungen oder Kontaktverbote zu beantragen. Im Fall von Frau Y wurde diese Möglichkeit durch ein langjähriges Kontaktverbot gegen Herrn X umgesetzt. Zusätzlich wurde Herr X im Rahmen der Strafe verpflichtet, eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen, was einen wichtigen Beitrag zur Prävention zukünftiger Gewalthandlungen darstellt. Auch der Aspekt der Rehabilitation des Täters spielt eine zentrale Rolle, insbesondere im Hinblick auf die Reintegration in die Gesellschaft nach der Haftstrafe. Fazit: Diese Fallstudie zeigt, wie komplexe psychologische Faktoren wie Persönlichkeitsstörungen in der Kriminologie und im Strafrecht berücksichtigt werden müssen. Das Zusammenspiel von psychologischen Gutachten, rechtlichen Bestimmungen und BGE bietet eine solide Grundlage, um in Fällen häuslicher Gewalt angemessene Urteile zu fällen. Gleichzeitig verdeutlicht der Fall die Bedeutung präventiver Maßnahmen und der psychologischen Betreuung sowohl von Tätern als auch von Opfern, um langfristig Gewalt im familiären Umfeld zu verhindern. Quellen: Art. 19, 123, 126, 135 StGB BGE 136 IV 55 BGE 128 IV 73 Art. 28b ZGB Diese Fallstudie veranschaulicht die rechtlichen und kriminologischen Herausforderungen, die bei Fällen häuslicher Gewalt mit Persönlichkeitsstörungen auftreten. Der Autor ist der Meinung, dass eine kriminologische wie auch psychologische Ausbildung in den Rechtswissenschaften verstärkt Bestandteil des Studiums bilden sollten und nicht erst als postgradueller Fortbildung!

  • Kriminologie (Verständnis der Delinquenz)

    Kriminologie als wissenschaftliche Disziplin ist tief in das Verständnis von Kriminalität, deren Ursachen und deren Folgen verankert. Sie vereint Elemente aus der Soziologie, Psychologie, Rechtswissenschaft und der Kriminalistik, um ein umfassendes Bild von Verbrechen und Kriminalität zu zeichnen. In diesem Blogbeitrag möchte ich Ihnen einen Überblick über die wesentlichen Themenfelder der Kriminologie geben und dabei auch auf aktuelle Artikel sowie einschlägige Jurisprudenz eingehen. Definition und Reichweite der Kriminologie Die Kriminologie untersucht Kriminalität als gesellschaftliches Phänomen. Neben der Analyse individueller Straftäterpersönlichkeiten liegt der Fokus insbesondere auf den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die zur Entstehung von Kriminalität beitragen. Ein besonders wichtiges juristisches Fundament hierfür bietet Art. 1 StGB, der als Grundlage für das Legalitätsprinzip im schweizerischen Strafrecht gilt und die Voraussetzung für Strafbarkeit definiert. Kriminalität und Gesellschaft: Ein soziologischer Ansatz Kriminalität tritt selten isoliert auf. Sie ist vielmehr das Produkt eines komplexen Zusammenspiels sozialer Faktoren. So beschreibt die Anomietheorie von Robert K. Merton, wie gesellschaftlicher Druck zu deviantem Verhalten führen kann. Menschen, die den sozialen Erwartungen nicht gerecht werden, könnten eher kriminelle Handlungen begehen, um ihre Ziele zu erreichen. Ein Beispiel für die Bedeutung sozialer Faktoren findet sich in BGE 128 IV 53, wo das Bundesgericht den Einfluss sozialer Randbedingungen auf die Delinquenz Jugendlicher betonte. Hierbei wird deutlich, dass Jugendkriminalität oft mit sozialer Ausgrenzung und fehlenden Perspektiven zusammenhängt. Psychologische Aspekte der Kriminologie Neben soziologischen Aspekten spielen auch psychologische Faktoren eine wesentliche Rolle in der Kriminologie. Die Theorien zur Täterpersönlichkeit beschäftigen sich mit der Frage, warum bestimmte Individuen eher zur Kriminalität neigen als andere. Dabei kommen Konzepte wie die Psychoanalyse von Sigmund Freud zum Tragen, die innere Konflikte als Triebfeder für abweichendes Verhalten beschreibt. Ein klassisches Fallbeispiel im schweizerischen Recht, bei dem die psychologische Verfassung des Täters eine Rolle spielt, ist BGE 136 IV 55, wo ein Täter aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung milder bestraft wurde. Diese Entscheidung betont die Bedeutung des psychischen Zustands des Täters im Rahmen der Strafzumessung. Persönlichkeitsstörungen und Kriminalität In der Kriminologie und Psychologie spielen Persönlichkeitsstörungen eine wesentliche Rolle, insbesondere wenn es um die Analyse des Täterverhaltens geht. Hierbei wird zwischen normalen und pathologischen Persönlichkeitsformen unterschieden, die potenziell kriminelle Handlungen beeinflussen können. Narzisstische Persönlichkeitsstörung Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung  (NPS) ist gekennzeichnet durch ein übersteigertes Selbstwertgefühl, mangelndes Einfühlungsvermögen und ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung. Menschen mit narzisstischen Tendenzen begehen oft Straftaten, um ihren Status zu verbessern oder ihr Ego zu bestätigen. Häufig finden sich narzisstische Täter im Bereich der Wirtschaftskriminalität und des Betrugs, da sie dazu neigen, andere für ihre eigenen Vorteile zu manipulieren. In BGE 142 IV 89 wurde ein Täter mit narzisstischen Tendenzen strafrechtlich verurteilt, wobei das Gericht die mangelnde Empathie und die Selbstüberhöhung des Täters berücksichtigte. Ein sehr wichtiger Punkt! Es ist entscheidend zu betonen, dass narzisstische Persönlichkeitszüge  nicht automatisch zu kriminellem Verhalten führen. Viele Menschen, einschließlich bedeutender Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft oder Kunst, weisen narzisstische Züge auf, die sich in einem gesunden Maß äußern und ihnen dabei helfen, erfolgreich zu sein und Führungspositionen zu übernehmen. In der Psychologie und Kriminologie ist der entscheidende Faktor nicht das Vorhandensein narzisstischer Merkmale an sich, sondern das Ausmaß und die Art, wie diese sich manifestieren. Gesunde narzisstische Eigenschaften  können zum Beispiel Selbstbewusstsein, Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen fördern, ohne dass diese Merkmale in einer destruktiven Weise wirken. In vielen Fällen tragen sie sogar positiv zur Karriere und zur gesellschaftlichen Stellung bei. Problematisch wird es erst, wenn diese narzisstischen Züge in pathologischem Ausmaß auftreten, wie im Fall von Herrn X, wo sie in Aggressivität, ein mangelndes Einfühlungsvermögen und Gewalt münden. Pathologischer Narzissmus , wie er in dieser Fallstudie besprochen wird, zeichnet sich durch ein extremes Bedürfnis nach Bewunderung, Machtstreben und eine Missachtung der Rechte anderer aus. Nur wenn diese Merkmale außer Kontrolle geraten und das Leben des Betroffenen oder seiner Mitmenschen beeinträchtigen, kann es zu deliktischem Verhalten kommen. Es ist daher entscheidend, zwischen einem normalen narzisstischen Charakterzug, der häufig bei Führungspersönlichkeiten zu finden ist, und einer pathologischen narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu differenzieren. Nicht jeder Narzisst wird gewalttätig oder kriminell , und es bedarf der genauen Abwägung, ob und in welchem Ausmaß eine Persönlichkeitsstörung vorliegt, bevor diese als strafmildernder oder -verschärfender Faktor in Betracht gezogen wird. Dieser Hinweis hilft dabei, zu verhindern, dass psychologische Diagnosen wie der Narzissmus pauschal mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden, und verdeutlicht die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung in der strafrechtlichen Praxis. 4o Antisoziale Persönlichkeitsstörung (Soziopathie/Psychopathie) Die Antisoziale Persönlichkeitsstörung  (APD), oft als Soziopathie oder Psychopathie bezeichnet, ist eine der häufigsten Persönlichkeitsstörungen, die mit Kriminalität in Verbindung gebracht wird. Menschen mit APD zeigen Missachtung sozialer Normen, mangelndes Schuldbewusstsein und eine Neigung zu impulsivem und aggressivem Verhalten. Insbesondere bei Gewaltverbrechen und Wiederholungstätern spielen diese Persönlichkeitszüge eine bedeutende Rolle. Der Psychopathy Checklist-Revised  (PCL-R) von Robert Hare wird häufig verwendet, um psychopathische Merkmale bei Straftätern zu diagnostizieren. Ein Beispiel für die juristische Relevanz von APD ist BGE 136 IV 55, wo eine schwere antisoziale Persönlichkeitsstörung zur teilweisen Schuldfähigkeit des Täters führte. Borderline-Persönlichkeitsstörung Die Borderline-Persönlichkeitsstörung  (BPS) ist durch emotionale Instabilität und Impulsivität geprägt. Menschen mit BPS begehen oft Straftaten in Phasen starker emotionaler Belastung. Häufige Delikte sind häusliche Gewalt oder impulsive Sachbeschädigungen. Im Fall BGE 140 IV 136 wurde die emotionale Instabilität einer Person mit Borderline-Störung bei der Strafzumessung berücksichtigt, was die Bedeutung des psychischen Zustands unterstreicht. Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung  (OCD) ist durch ein übertriebenes Bedürfnis nach Kontrolle, Ordnung und Perfektionismus gekennzeichnet. Zwanghafte Täter werden selten gewalttätig, jedoch können ihre rigiden Denkweisen sie zu Wirtschaftsverbrechen oder Unterschlagungen treiben. Normale Persönlichkeitsstrukturen und kriminelles Verhalten Nicht jede Straftat ist das Ergebnis einer Persönlichkeitsstörung. Auch Menschen mit normalen Persönlichkeitsstrukturen können unter bestimmten Bedingungen kriminelle Handlungen begehen, insbesondere in Situationen mit großem Stress oder sozialen Konflikten. Das berühmte Stanford-Prison-Experiment  von Philip Zimbardo zeigt, wie schnell normale Menschen unter bestimmten Umständen abweichendes Verhalten zeigen können. Prävention und Bekämpfung von Kriminalität Ein zentrales Thema der Kriminologie ist die Prävention von Straftaten. Neben repressiven Maßnahmen wie Strafen stehen präventive Ansätze im Vordergrund, die darauf abzielen, kriminellen Handlungen vorzubeugen. Ein prominenter Ansatz ist die Restorative Justice , die in der Schweiz besonders im Jugendstrafrecht angewendet wird. In BGE 143 IV 1 wird das Prinzip der Wiedergutmachung betont, das den Täter zur Verantwortung zieht und die Opfer einbezieht. Internationale Perspektiven: Kriminologie im globalen Kontext Mit der zunehmenden Globalisierung nimmt auch die internationale Kriminologie an Bedeutung zu. Themen wie Menschenhandel, organisierte Kriminalität und Cyberkriminalität erfordern neue Ansätze und rechtliche Instrumente. Internationale Abkommen, wie die UN-Konvention gegen Transnationale Organisierte Kriminalität (UNTOC), sind entscheidende Werkzeuge, um diese globalen Probleme zu bekämpfen. Fazit: Kriminologie als interdisziplinäre Wissenschaft Die Kriminologie ist eine dynamische Wissenschaft, die verschiedene Disziplinen vereint, um Kriminalität und kriminelles Verhalten zu verstehen und effektiv zu bekämpfen. Persönlichkeitsstörungen spielen dabei eine zentrale Rolle, insbesondere in der Strafzumessung und der Beurteilung der Schuldfähigkeit. In der Praxis sind Kenntnisse über soziologische und psychologische Theorien unverzichtbar, um Täterverhalten zu verstehen und passende präventive Maßnahmen zu entwickeln. Für Fachleute bietet dieses Wissen eine solide Grundlage, um das Verhalten von Straftätern nicht nur zu analysieren, sondern auch spezifische Lösungsansätze für die Prävention und Wiedereingliederung zu entwickeln. Quellen: Art. 1 StGB (Schweiz) BGE 128 IV 53 BGE 136 IV 55 BGE 140 IV 136 BGE 142 IV 89 BGE 143 IV 1 UN-Konvention gegen Transnationale Organisierte Kriminalität (UNTOC)

  • Durchsuchung eines Fahrzeuges (Fallbeispiel Frau Keller:

    Durchsuchung eines Autos, einer Person und Abnahme des Fingerabdrucks bei einer routinemäßigen Kontrolle – Vorstrafen in einem anderen Bereich Sachverhalt: Frau Keller wird während einer routinemäßigen Verkehrskontrolle von der Polizei angehalten. Die Polizei fordert die Fahrzeugpapiere und den Führerschein. Während der Kontrolle wirkt Frau Keller auffällig nervös und schaut wiederholt in ihre Handtasche. Daraufhin beschließt die Polizei, das Fahrzeug und die Handtasche zu durchsuchen. In der Handtasche findet die Polizei eine geringe Menge Cannabis. Eine Überprüfung im Polizeicomputer zeigt, dass Frau Keller in der Vergangenheit wegen Wirtschaftsdelikten (Betrug und Urkundenfälschung) vorbestraft ist. Die Polizei nimmt Frau Keller daraufhin mit auf die Wache, wo sie aufgefordert wird, mittels eines elektronischen Lesegeräts ihren Fingerabdruck abzugeben. Frau Keller erhebt nach dem Vorfall Beschwerde und argumentiert, dass ihre früheren Vorstrafen nichts mit dem aktuellen Vorfall zu tun haben und die Maßnahmen der Polizei deshalb unverhältnismäßig gewesen seien. Rechtsfrage: War die Durchsuchung des Autos, der Handtasche und die Abnahme des Fingerabdrucks von Frau Keller im Rahmen der routinemäßigen Kontrolle unter Berücksichtigung ihrer früheren Vorstrafen im Bereich von Wirtschaftsdelikten rechtmäßig und verhältnismäßig? Rechtsgrundlagen und Kommentare: Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen bei Verkehrskontrollen : Nach Art. 36 BV  müssen staatliche Eingriffe, die Grundrechte einschränken, verhältnismäßig sein. Jede polizeiliche Maßnahme muss einem legitimen Zweck dienen und darf nicht über das hinausgehen, was notwendig ist, um den Zweck zu erreichen. Laut BGE 136 I 87  müssen polizeiliche Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verdachts oder der Gefahr stehen. Die Nervosität von Frau Keller allein und der Fund einer geringen Menge Cannabis rechtfertigen möglicherweise die Durchsuchung ihrer Handtasche und des Fahrzeugs, aber es ist fraglich, ob die Vorstrafen im Bereich der Wirtschaftsdelikte hier eine Rolle spielen dürfen. Relevanz von Vorstrafen aus einem anderen Bereich : Die früheren Verurteilungen von Frau Keller wegen Wirtschaftsdelikten (Betrug und Urkundenfälschung) haben keinen direkten Bezug zu dem jetzigen Vorwurf des Betäubungsmittelbesitzes. BGE 125 I 492  macht klar, dass Vorstrafen nur dann relevant sind, wenn sie im Zusammenhang mit der aktuellen Situation stehen. In diesem Fall liegen die Vorstrafen in einem völlig anderen Bereich, was bedeutet, dass sie keinen direkten Einfluss auf die polizeiliche Bewertung der Situation haben dürften. Die bloße Existenz von Vorstrafen ohne direkten Zusammenhang mit dem aktuellen Verdacht ist nicht ausreichend, um die Schwere der polizeilichen Maßnahmen zu rechtfertigen. Durchsuchung und Verhältnismäßigkeit : Die Durchsuchung von Frau Kellers Fahrzeug und Handtasche könnte aufgrund ihrer auffälligen Nervosität und des Verdachts auf Besitz illegaler Substanzen verhältnismäßig gewesen sein. Der Fund von Cannabis könnte als ausreichender Grund für die Polizei gelten, die Durchsuchung durchzuführen. Allerdings hätte die Polizei keine weitergehenden Maßnahmen auf der Grundlage der früheren Wirtschaftsdelikte ergreifen dürfen, da diese Vorstrafen keinen Bezug zum Betäubungsmittelbesitz haben. Dies wurde auch in BGE 133 I 106  bestätigt, wo betont wurde, dass Vorstrafen nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sie einen unmittelbaren Zusammenhang zur aktuellen Tat haben. Abnahme des Fingerabdrucks bei nicht zusammenhängenden Vorstrafen : Art. 260 StPO  erlaubt die Abnahme von Fingerabdrücken im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen, wenn dies zur Identitätsfeststellung oder im Zusammenhang mit einer Straftat erforderlich ist. Da Frau Keller bereits identifiziert wurde und die Vorstrafen im Bereich der Wirtschaftsdelikte keinen Bezug zum aktuellen Vorwurf haben, ist die Abnahme des Fingerabdrucks fraglich. BGE 141 IV 344  bestätigt, dass solche Maßnahmen nur dann verhältnismäßig sind, wenn sie zur Klärung eines konkreten Verdachts erforderlich sind. In diesem Fall liegt keine Verbindung zwischen den früheren Wirtschaftsdelikten und dem jetzigen Verdacht auf Betäubungsmittelbesitz vor, sodass die Abnahme des Fingerabdrucks unverhältnismäßig erscheinen könnte. Rechtswidrigkeit der Fingerabdruckabnahme : Angesichts der Tatsache, dass die Vorstrafen von Frau Keller in einem anderen Bereich liegen und keinen Zusammenhang mit dem aktuellen Vorfall haben, ist die Abnahme des Fingerabdrucks wahrscheinlich unverhältnismäßig. Nach BGE 133 I 106  dürfen Fingerabdrücke nur bei schwerwiegenden Verdachtsmomenten oder einer ernsthaften Gefährdung erhoben werden. In diesem Fall ist die geringe Menge an Cannabis in Kombination mit den Wirtschaftsdelikten aus der Vergangenheit kein ausreichender Grund, um diese Maßnahme zu rechtfertigen. Lösung: Die Durchsuchung des Fahrzeugs und der Handtasche von Frau Keller war aufgrund ihrer auffälligen Nervosität und des Verdachts auf Betäubungsmittelbesitz verhältnismäßig. Die Abnahme des Fingerabdrucks hingegen war unverhältnismäßig, da die früheren Vorstrafen aus einem völlig anderen Bereich stammen und keinen direkten Bezug zu dem aktuellen Verdacht haben. Die Beschwerde von Frau Keller dürfte daher in Bezug auf die Abnahme des Fingerabdrucks Erfolg haben. Fazit: Dieses Fallbeispiel verdeutlicht, dass frühere Vorstrafen nur dann eine Rolle bei der polizeilichen Bewertung spielen dürfen, wenn sie einen direkten Zusammenhang zur aktuellen Verdachtslage aufweisen. Ohne diesen Zusammenhang sind weitergehende Maßnahmen wie die Abnahme von Fingerabdrücken unverhältnismäßig und nicht rechtlich gerechtfertigt. In Fällen wie diesem müssen die Polizei und die Justiz die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Schutzes der Grundrechte strikt beachten. Quellen: BGE 136 I 87 : Verhältnismäßigkeit bei polizeilichen Maßnahmen BGE 125 I 492 : Anforderungen an den Verdacht für Durchsuchungen BGE 133 I 106 : Schutz der Privatsphäre und persönliche Gegenstände BGE 141 IV 344 : Verhältnismäßigkeit bei der Abnahme von Fingerabdrücken Art. 36 BV : Verhältnismäßigkeitsprinzip Art. 260 StPO : Abnahme von Fingerabdrücken im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen

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