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Der Notwehrexzess – Ein ausführliches Beispiel

Autorenbild: kunzlawfirmkunzlawfirm


Das Konzept der Notwehr ist eine zentrale Regelung im Strafrecht, die es einem Menschen erlaubt, sich gegen rechtswidrige Angriffe zu verteidigen. Doch was passiert, wenn die Verteidigung die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschreitet? Dies wird als Notwehrexzess bezeichnet und in Art. 16 StGB geregelt.

Was ist Notwehrexzess?

Ein Notwehrexzess liegt vor, wenn sich eine Person zwar in einer Notwehrlage befindet, dabei jedoch unverhältnismäßige Mittel einsetzt oder die Notwehr in ihrer Intensität überschreitet. Es gibt zwei wesentliche Arten:

  1. Intensiver Notwehrexzess: Die Verteidigung ist nicht mehr angemessen im Verhältnis zum Angriff.

  2. Extensiver Notwehrexzess: Die Verteidigung erfolgt, obwohl der Angriff bereits beendet ist.

Der Fall: Übertriebene Verteidigung bei einem Einbruch

Frau M. lebt allein in einem Einfamilienhaus. Eines Nachts wird sie durch das Klirren von Glas geweckt. Sie sieht eine Person, die durch das Wohnzimmerfenster einzudringen versucht. In Panik greift sie zu einer in der Nähe liegenden Baseballschläger und stürmt auf den Einbrecher zu. Sie schlägt mehrfach auf ihn ein, obwohl dieser nach dem ersten Schlag wehrlos am Boden liegt. Der Einbrecher erleidet schwere Verletzungen, darunter mehrere Knochenbrüche.

Ablauf des Strafverfahrens

  1. Ermittlungsverfahren:

    • Die Polizei wird von Nachbarn alarmiert, die den Lärm hören.

    • Frau M. gibt an, aus Angst und Panik gehandelt zu haben.

    • Der Einbrecher, Herr B., wird ins Krankenhaus gebracht und erstattet Anzeige wegen schwerer Körperverletzung.

  2. Anklage durch die Staatsanwaltschaft:

    • Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Frau M. wegen schwerer Körperverletzung nach Art. 122 StGB.

    • Die Ermittler stellen fest, dass Herr B. nach dem ersten Schlag wehrlos war und keine Bedrohung mehr darstellte.

  3. Verteidigungsstrategie:

    • Frau M.'s Anwalt plädiert auf Notwehrexzess gemäß Art. 16 StGB.

    • Es wird argumentiert, dass Frau M. aufgrund der nächtlichen Überraschung in eine starke Angstreaktion geriet und ihr Handeln dadurch beeinflusst wurde.

    • Ein psychologisches Gutachten bescheinigt Frau M. eine panikbedingte Überreaktion.

  4. Hauptverhandlung:

    • Frau M. schildert ihre Panik und die Angst um ihr Leben.

    • Der psychologische Gutachter erklärt, dass ihre Reaktion durch eine akute Stresssituation ausgelöst wurde.

    • Das Gericht berücksichtigt die Schwere der Verletzungen des Opfers und die Tatsache, dass Frau M. hätte aufhören können, nachdem die Gefahr gebannt war.

  5. Urteil:

    • Das Gericht erkennt den Notwehrexzess an und mildert das Strafmaß. Frau M. wird zu einer Geldstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

    • Sie wird zudem zu einem Schadensersatz an Herrn B. verpflichtet.

Wichtige Aspekte des Notwehrexzesses

  • Subjektiver Faktor: Entscheidend ist, ob die Überreaktion aus einer nachvollziehbaren Stresssituation resultierte.

  • Verhältnismäßigkeit: Auch in Panik darf die Verteidigung nicht völlig unverhältnismäßig sein.

  • Milderung: Das Gesetz erlaubt eine Strafmilderung, wenn der Exzess durch verständliche Emotionen wie Angst oder Verwirrung ausgelöst wurde.

Fazit

Der Notwehrexzess zeigt, wie schwierig die Abgrenzung zwischen gerechtfertigter Verteidigung und strafbarer Handlung sein kann. Gerade in stressigen Ausnahmesituationen ist es wichtig, die Umstände sorgfältig zu prüfen und sowohl die Perspektive des Täters als auch die des Opfers zu berücksichtigen. Für Betroffene ist eine rechtzeitige juristische Beratung unverzichtbar, um ihre Handlung zu bewerten und eine faire Verteidigung zu gewährleisten.


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