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Das abgekürzte Verfahren im schweizerischen Strafrecht - Ein kritischer Blick auf Vor- und Nachteile

Einleitung

Das abgekürzte Verfahren, wie es im schweizerischen Strafrecht vorgesehen ist, stellt eine effiziente Möglichkeit zur Bewältigung von Strafverfahren dar. Der beschleunigte Ablauf bringt Vorteile für die Verfahrensbeteiligten und die Justiz, birgt jedoch auch Risiken, insbesondere was die Rechte der Beschuldigten und die Gerechtigkeit der Strafe betrifft. In diesem Blogbeitrag wird ein reales Fallbeispiel herangezogen, um die Anwendung des abgekürzten Verfahrens kritisch zu beleuchten, und dabei werden auch einschlägige BGE-Entscheide und Kommentare zur Untermauerung herangezogen.


Fallbeispiel: Das abgekürzte Verfahren bei Thomas K.

Thomas K. war wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Bereits während der Ermittlungen gestand er die Tat vollumfänglich und war bereit, einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zuzustimmen, die bedingt ausgesprochen werden sollte. Auf Anraten seines Verteidigers und im Austausch mit der Staatsanwaltschaft wurde das abgekürzte Verfahren nach Art. 358 ff. StPO gewählt, da die Voraussetzungen hierfür gegeben waren: ein umfassendes Geständnis, die Einwilligung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts sowie das Fehlen besonders gravierender Widerstände.


Die Staatsanwaltschaft verhandelte daraufhin mit der Verteidigung von Thomas K. und es kam zu einer Einigung, die eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren vorsah. Der Fall wurde anschliessend im Rahmen eines abgekürzten Verfahrens vor das Gericht gebracht, welches die Strafe absegnete, ohne eine mündliche Hauptverhandlung durchzuführen.


Rechtliche Grundlagen und BGE-Entscheide

Das abgekürzte Verfahren gemäss Art. 358 ff. StPO zielt darauf ab, die Verfahrensdauer zu verkürzen und die Justizressourcen zu schonen. Der BGE 138 IV 81 betont die Vorteile dieses Verfahrensmodells, insbesondere die Entlastung der Gerichte und die beschleunigte Beendigung von Verfahren. Gleichzeitig mahnt der Entscheid jedoch zur Vorsicht: Eine fehlende Hauptverhandlung birgt die Gefahr, dass wichtige Tatsachen oder mildernde Umstände nicht ausreichend gewürdigt werden.


In einem weiteren Entscheid stellte das Bundesgericht klar, dass das abgekürzte Verfahren nur dann angemessen ist, wenn der Beschuldigte die Konsequenzen seines Geständnisses vollumfänglich verstehen kann und keine unzulässigen Druckmittel auf ihn ausgeübt wurden. Dies ist besonders relevant, da ein solches Verfahren ohne mündliche Verhandlung erfolgt und somit der persönliche Auftritt des Beschuldigten vor dem Gericht entfällt.


Kommentar zur Entscheidung

Der Fall von Thomas K. zeigt sowohl die Effizienz als auch die potenziellen Schwächen des abgekürzten Verfahrens. Der Basler Kommentar zu Art. 358 StPO hebt hervor, dass das abgekürzte Verfahren grundsätzlich eine freiwillige und bewusste Entscheidung des Beschuldigten sein muss. Die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte unter dem Druck einer schnellen Verfahrensbeendigung seine Rechte nicht vollumfänglich wahrnimmt oder auf mildernde Umstände verzichtet, die in einem regulären Verfahren zur Sprache gekommen wären.


Eine weitere Problematik besteht in der Rolle des Verteidigers. Ein ineffektiver oder mittelmäßiger Verteidiger könnte dazu führen, dass die Interessen des Beschuldigten nicht angemessen vertreten werden, was die Fairness des Verfahrens untergraben könnte. Insbesondere bei komplexen psychischen Hintergründen des Beschuldigten, wie z. B. einer psychischen Störung, besteht das Risiko, dass solche Faktoren im abgekürzten Verfahren vernachlässigt werden.


Psychologische und kriminologische Aspekte

Interessant in der Betrachtung des abgekürzten Verfahrens ist auch die psychologische Seite der Staatsanwaltschaft und des Gerichts. Studien zeigen, dass die menschliche Tendenz, Verhandlungen schnell abzuschliessen, und die Vorliebe für verfahrensökonomische Lösungen die Entscheidung beeinflussen können. In diesem Zusammenhang spielt die Rolle des Pflichtverteidigers oder eines nicht ausreichend qualifizierten Anwalts eine entscheidende Rolle. Der Basler Kommentar betont daher die Wichtigkeit einer fundierten und engagierten Verteidigung, um sicherzustellen, dass das abgekürzte Verfahren keine Nachteile für den Beschuldigten mit sich bringt.


Fazit

Das abgekürzte Verfahren im schweizerischen Strafrecht bietet zweifellos Vorteile in Bezug auf Effizienz und Ressourcenschonung. Der Fall von Thomas K. zeigt jedoch auch die Schwächen dieses Verfahrens auf, insbesondere hinsichtlich der potenziellen Gefährdung der Rechte des Beschuldigten. Die aktuellen BGE-Entscheide betonen, dass das Wohl des Beschuldigten und die Wahrung der Gerechtigkeit im Vordergrund stehen müssen, was eine sorgfältige und bewusste Abwägung erfordert. Ein effektiver Verteidiger und das Bewusstsein für die psychologischen Mechanismen in solchen Verfahren sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das abgekürzte Verfahren nicht zur Verkürzung der Gerechtigkeit führt.

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