top of page

Einleitung

Die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB stellt eine Möglichkeit dar, den Schutz der Öffentlichkeit bei schweren psychischen Störungen eines Täters sicherzustellen. Gleichzeitig birgt diese Massnahme Risiken, insbesondere im Hinblick auf die potenziell unbefristete Verlängerung und die mögliche Umwandlung in eine Verwahrung nach Art. 64 StGB. Im Volksmund wird die Massnahme nach Art. 59 auch als die "kleine Verwahrung" bezeichnet. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Bezeichnung irreführend sein kann, da sich die stationäre Massnahme von der Verwahrung nach Art. 64 insbesondere durch ihren therapeutischen Ansatz unterscheidet. Das folgende Fallbeispiel illustriert diese Problematik anhand eines Totschlagsverfahrens und zeigt auf, welche Schwierigkeiten bei der Entscheidung für oder gegen eine solche Massnahme entstehen können.


Fallbeispiel: Der Fall von Daniel R.

Daniel R., 38 Jahre alt, wurde wegen Totschlags angeklagt, nachdem er in einem Streit seinen Arbeitskollegen getötet hatte. Der Vorfall ereignete sich in einem Moment, in dem Daniel sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Seit Jahren litt er an einer nicht diagnostizierten schweren Depression, die in der Zeit vor der Tat durch beruflichen Stress und private Konflikte verstärkt wurde. Zum Zeitpunkt der Tat war er von starken Gefühlen der Hoffnungslosigkeit und Wut übermannt und verlor die Kontrolle über sein Handeln.

Im anschliessenden Verfahren wurde ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, das eine schwere psychische Störung bei Daniel R. diagnostizierte. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass Daniel zur Tatzeit nur eingeschränkt schuldfähig gewesen sei und dass das Risiko weiterer Gewaltakte bestehe, wenn seine psychische Erkrankung unbehandelt bliebe. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher neben einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren auch eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB.


Die Entscheidung für die Massnahme nach Art. 59 StGB

Das Gericht folgte der Empfehlung der Staatsanwaltschaft und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an. Gemäss Art. 59 StGB kann eine solche Massnahme dann angeordnet werden, wenn der Täter an einer schweren psychischen Störung leidet und die Gefahr besteht, dass er weitere schwerwiegende Straftaten begehen könnte. In diesem Fall sah das Gericht die Voraussetzungen als erfüllt an: Die schwere Depression von Daniel R. und die hohe Wahrscheinlichkeit eines erneuten Gewaltausbruchs sprachen für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung.

Wichtig zu erwähnen ist, dass die Massnahme nach Art. 59 StGB grundsätzlich vor der Freiheitsstrafe verbüsst werden muss. Theoretisch kann es dazu kommen, dass die Massnahme nach beispielsweise drei Jahren beendet wird oder in eine mildere Form, wie eine ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB, umgewandelt wird. In einem solchen Fall könnte es sogar sein, dass die Freiheitsstrafe vollständig erlassen wird. Dies bedeutet, dass Daniel R. theoretisch nach drei Jahren entlassen werden könnte, obwohl die ursprüngliche Strafe auf sieben Jahre angesetzt war. Dennoch ist diese Möglichkeit in der Praxis eher unwahrscheinlich, da die Verlängerung der stationären Massnahme um weitere fünf Jahre oft wahrscheinlicher ist, insbesondere wenn keine wesentlichen Fortschritte festgestellt werden.


Problematik der Verlängerung, menschenrechtliche Aspekte und Umwandlung in eine Verwahrung

Ein entscheidender Punkt, der im Fall von Daniel R. problematisch werden sollte, war die Dauer und die mögliche Verlängerung der Massnahme. Nach Art. 59 Abs. 4 StGB wird die stationäre Massnahme zunächst für maximal fünf Jahre angeordnet, kann jedoch wiederholt verlängert werden, solange die Gefahr weiterer Straftaten besteht und keine ausreichende Besserung des psychischen Zustands des Täters eintritt.


Im Falle von Daniel R. zeigte die Therapie während der ersten fünf Jahre nur begrenzte Fortschritte. Die behandelnden Ärzte stuften ihn weiterhin als gefährlich ein, da er nach wie vor starke depressive Episoden und unkontrollierte Wutausbrüche zeigte. Somit wurde die Massnahme um weitere fünf Jahre verlängert. Dies führte bei Daniel zu wachsender Verzweiflung, da er keine Aussicht darauf hatte, sein Leben in Freiheit wieder aufzunehmen, und er zunehmend das Vertrauen in die Therapie verlor.


Der Fall von Daniel R. erinnert an den Fall I.L. gegen die Schweiz, der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden wurde. I.L. wurde zunächst zu einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB verurteilt, verbrachte jedoch die ersten Jahre nicht in einer geeigneten Therapieeinrichtung, sondern überwiegend in Einzelhaft. Der EGMR stellte in seiner Entscheidung fest, dass die über drei Jahre dauernde Einzelhaft eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellte und dass die fehlende angemessene medizinische Betreuung eine Verletzung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darstellte. Ebenso wurde festgestellt, dass der Freiheitsentzug im Sinne von Art. 5 EMRK widerrechtlich war, da keine geeignete therapeutische Behandlung angeboten wurde.


Die Problematik der fehlenden Therapieplätze ist besonders im Kanton Bern ein bekanntes und drängendes Problem. Die Platznot herrscht nicht nur in den Gefängnissen, sondern auch in forensisch-psychiatrischen Kliniken, in denen es für schwer gestörte Straftäter überhaupt keine Therapieplätze gibt. Der Kanton Bern hat einen Bedarf von rund 30 solchen Plätzen, dennoch müssen verurteilte Straftäter teils Jahre in Gefängnissen auf einen Therapieplatz warten – wie etwa der als "Schläger von Schüpfen" bekannt gewordene Igor L. In der neuen Justizvollzugsstrategie hat die Polizei- und Militärdirektion (POM) aufgezeigt, dass ein Ausbau der forensischen Station Etoine der psychiatrischen Klinik Waldau eine Lösung sein könnte. Diese Kapazitätsprobleme tragen maßgeblich zu den Verzögerungen und zu einer möglicherweise unangemessenen Unterbringung bei, was die Risiken für Menschenrechtsverletzungen weiter erhöht.


Diese menschenrechtlichen Überlegungen sind auch für den Fall von Daniel R. von Bedeutung. Die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB sollte sicherstellen, dass der Täter eine auf seine psychische Störung abgestimmte Therapie erhält, um ihn zu rehabilitieren. Das Versagen, eine geeignete Einrichtung bereitzustellen, kann nicht nur den therapeutischen Erfolg beeinträchtigen, sondern auch die Menschenrechte des Täters verletzen. Zudem zeigt der Fall I.L. auf, dass eine fehlende oder unangemessene Behandlung in einer ungeeigneten Haftumgebung das Risiko einer langfristigen Freiheitsentziehung erhöht und letztlich zu einer Verwahrung führen kann.


Diese menschenrechtlichen Überlegungen sind auch für den Fall von Daniel R. von Bedeutung. Die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB sollte sicherstellen, dass der Täter eine auf seine psychische Störung abgestimmte Therapie erhält, um ihn zu rehabilitieren. Das Versagen, eine geeignete Einrichtung bereitzustellen, kann nicht nur den therapeutischen Erfolg beeinträchtigen, sondern auch die Menschenrechte des Täters verletzen. Zudem zeigt der Fall I.L. auf, dass eine fehlende oder unangemessene Behandlung in einer ungeeigneten Haftumgebung das Risiko einer langfristigen Freiheitsentziehung erhöht und letztlich zu einer Verwahrung führen kann.


Schliesslich stellte die Staatsanwaltschaft nach fast zehn Jahren einen Antrag auf Umwandlung der stationären Massnahme in eine Verwahrung nach Art. 64 StGB. Dieser Antrag stützte sich auf die Einschätzung der Gutachter, dass Daniel R. auf absehbare Zeit eine erhebliche Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen würde und dass keine wesentliche Verbesserung seines Zustands zu erwarten sei. Das Gericht stimmte diesem Antrag zu und ordnete die Verwahrung an.


Rechtliche Betrachtung und BGE-Entscheide

Der Entscheid zur Umwandlung einer therapeutischen Massnahme in eine Verwahrung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Beschuldigten. Das Bundesgericht stellt klar, dass eine Verwahrung nur dann angeordnet werden darf, wenn keine Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie besteht und das Risiko für die Öffentlichkeit erheblich ist. In diesem Fall stützte sich das Gericht auf die Gutachten, die keine Besserung des Zustands von Daniel R. prognostizierten.


Der Trechsel Kommentar zu Art. 59 StGB weist darauf hin, dass die Anordnung einer stationären Massnahme grundsätzlich im Interesse des Beschuldigten liegen sollte, da sie eine therapeutische Behandlung und die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft bietet. Doch die potenziell unbefristete Verlängerung der Massnahme kann dazu führen, dass der Beschuldigte de facto länger festgehalten wird als bei einer reinen Freiheitsstrafe. Diese Unsicherheit kann für den Beschuldigten eine erhebliche psychische Belastung darstellen und die Motivation zur Mitarbeit in der Therapie mindern.

Regelmässige gerichtliche Überprüfungen sind hierbei von entscheidender Bedeutung. Das Gericht muss sicherstellen, dass die Massnahme weiterhin verhältnismässig ist und dass sie nicht länger dauert, als es zur Therapie des Beschuldigten erforderlich ist. Die Überprüfungspflicht soll verhindern, dass Beschuldigte ohne Perspektive festgehalten werden, wenn eine Fortsetzung der Massnahme nicht mehr gerechtfertigt ist.


Kommentar zur Entscheidung und Bezug zur EMRK

Der Fall von Daniel R. zeigt die komplexen und problematischen Aspekte der Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB auf. Während eine Freiheitsstrafe klar begrenzt ist und nach Ablauf der festgesetzten Zeit endet, kann eine therapeutische Massnahme unter Umständen immer wieder verlängert werden. Dies schafft eine Unsicherheit, die nicht nur für den Beschuldigten belastend ist, sondern auch die Frage aufwirft, ob die Rechte des Täters ausreichend gewährleistet sind.

Besonders im Hinblick auf die Menschenrechte des Beschuldigten sind diese Fragen bedeutsam. Der EGMR-Entscheid im Fall I.L. zeigt, dass eine unsachgemäße Unterbringung und der Mangel an angemessener medizinischer Betreuung die Rechte der Beschuldigten erheblich verletzen können. Die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB darf nicht zu einer unbestimmten Freiheitsentziehung führen, ohne dass der Betroffene die notwendige Unterstützung erhält. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Art. 3 und 5 EMRK, die ein menschenwürdiges Haftumfeld und die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs sicherstellen sollen.


Der Basler Kommentar und die aktuelle Rechtsprechung verdeutlichen die Gratwanderung, die bei der Anordnung einer solchen Massnahme notwendig ist. Der Schutz der Öffentlichkeit muss gegen die Rechte des Beschuldigten abgewogen werden, insbesondere in Bezug auf die Verhältnismässigkeit und die Dauer der Massnahme. Im Fall von Daniel R. führte die langjährige Perspektivlosigkeit letztlich zur Verwahrung, was zeigt, wie schnell eine therapeutische Massnahme in eine lebenslange Freiheitsentziehung umschlagen kann.


Fazit

Die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB bietet Chancen, aber auch erhebliche Risiken. Der Fall von Daniel R. illustriert, wie eine solche Massnahme in eine unbefristete Freiheitsentziehung übergehen kann, wenn die Therapie nicht erfolgreich ist. Dies stellt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit infrage und zeigt, dass eine solche Entscheidung für den Beschuldigten oft mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass solche Massnahmen sorgfältig geprüft und regelmässig evaluiert werden, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich im Interesse des Beschuldigten und der Öffentlichkeit sind.


Einleitung

Familienrechtliche Streitigkeiten können oft komplex und emotional belastend sein. Das folgende Fallbeispiel zeigt einen Sorgerechtsstreit, bei dem die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) involviert wurde. Der Fall illustriert nicht nur die rechtlichen Aspekte, sondern auch die Rolle der verschiedenen Akteure im schweizerischen Familienrecht, unterstützt durch rechtliche Kommentare und BGE-Entscheidungen.


Fallbeispiel: Der Sorgerechtsstreit zwischen Maria und Thomas

Maria und Thomas sind Eltern der achtjährigen Sophie. Nach der Trennung im Jahr 2022 beschlossen sie, das gemeinsame Sorgerecht beizubehalten, um Sophie einen stabilen Lebensalltag zu ermöglichen. Maria übernahm dabei die hauptsächliche Betreuung, während Thomas ein großzügiges Besuchsrecht eingeräumt wurde. Beide Elternteile waren zunächst bereit, an einer konstruktiven Ko-Elternschaft zu arbeiten.


Nach etwa einem Jahr veränderten sich die Umstände jedoch: Thomas zog berufsbedingt von Zürich nach Genf, was das regelmäßige Wahrnehmen seines Besuchsrechts erschwerte. Maria äußerte zunehmend Sorgen darüber, dass Sophies Wohl durch die ständige Umstellung der Besuchstermine beeinträchtigt werde. In dieser Situation wandte sich Maria an die KESB, um eine Überprüfung der bisherigen Sorgerechtsregelung zu veranlassen.

Die KESB entschied, dass eine Mediation zwischen den Eltern erfolgen sollte, um den besten Weg für Sophies Wohlergehen zu finden. Thomas hingegen beantragte beim Regionalgericht Bern-Mittelland eine Abänderung der Sorgerechtsvereinbarung, um eine Alleinsorge für Sophie zu erhalten, da er der Ansicht war, dass Maria eine enge Beziehung zwischen ihm und Sophie bewusst verhindern wollte.


Rechtliche Betrachtung und Würdigung

Der Fall stützt sich insbesondere auf die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (ZGB) in Bezug auf das Sorgerecht und die elterliche Sorge. Art. 298 ZGB regelt die gemeinsame elterliche Sorge und sieht vor, dass diese nur in Ausnahmefällen aufgehoben werden kann, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten dient.


Ein zentraler Punkt war, ob die Distanz zwischen den Wohnorten und die Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung des Besuchsrechts ausreichen, um eine solche Ausnahme darzustellen. Die KESB berücksichtigte dabei die aktuelle Rechtsprechung, insbesondere den BGE 145 III 393, welcher festlegt, dass das Kindeswohl oberste Priorität hat und pragmatische Lösungen zur Wahrung der Beziehung zu beiden Elternteilen zu suchen sind. In diesem Entscheid wird darauf hingewiesen, dass die Beziehungspflege nicht durch administrative Hürden oder Elternkonflikte beeinträchtigt werden darf.


Entscheidung der KESB und des Gerichts

Nach mehreren Gesprächen und einer umfassenden Anhörung der Beteiligten, einschließlich Sophie, entschied die KESB, dass es für Sophie von entscheidender Bedeutung sei, einen regelmäßigen und stabilen Kontakt zu beiden Elternteilen zu haben. Aus diesem Grund empfahl die KESB eine Anpassung der Besuchsregelungen, anstatt die gemeinsame Sorge aufzuheben.


Das Regionalgericht Bern-Mittelland folgte in seiner Entscheidung weitgehend der Empfehlung der KESB. In seinem Urteil verwies das Gericht auf den Basler Kommentar zu Art. 301 ZGB, welcher festhält, dass das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr mit beiden Elternteilen grundsätzlich zu wahren sei, auch wenn die Umstände schwieriger würden. Das Gericht betonte, dass Thomas verpflichtet sei, mit Maria eine tragfähige Lösung zu finden, auch wenn dies persönliche Einschränkungen, wie vermehrte Fahrten, bedeuten würde.


Kommentar zur Entscheidung

Dieser Fall zeigt, wie komplex die Abwägung zwischen dem Kindeswohl, den Bedürfnissen der Eltern und den äußeren Umständen sein kann. Der BGE 145 III 393 unterstreicht, dass das Kindeswohl immer an erster Stelle stehen muss und eine einseitige Alleinsorge nur dann infrage kommt, wenn keine andere Lösung zur Wahrung des Wohls des Kindes gefunden werden kann. Der Basler Kommentar betont zudem die Verpflichtung der Eltern zur Zusammenarbeit, um für das Kind eine stabile und harmonische Entwicklung zu ermöglichen.

Die KESB als neutrale Instanz hat in diesem Fall eine zentrale Rolle gespielt, indem sie eine vermittelnde und präventive Funktion wahrgenommen hat. Anstatt eine Eskalation des Konflikts zuzulassen, wurde versucht, durch Mediation eine einvernehmliche Lösung zu finden, die langfristig im Interesse von Sophie ist.


Fazit

Das vorliegende Fallbeispiel zeigt die Wichtigkeit der Zusammenarbeit aller Beteiligten im Familienrecht, insbesondere wenn Kinder betroffen sind. Die KESB ist dabei nicht nur eine Kontrollinstanz, sondern agiert auch als Vermittler zwischen den Eltern, um das Kindeswohl sicherzustellen. Der Einbezug der aktuellen Rechtsprechung und der Kommentare wie des Basler Kommentars hilft, eine fundierte und rechtlich abgesicherte Entscheidung zu treffen, die den Interessen des Kindes gerecht wird.


Das Thema der internationalen Rechtshilfe spielt in einer globalisierten Welt eine immer größere Rolle. Besonders relevant ist hierbei die Frage, unter welchen Bedingungen ein Staat die Auslieferung eigener Staatsbürger an andere Länder verweigert. Die Schweiz hat in diesem Zusammenhang eine klare Haltung eingenommen: Schweizer Staatsbürger dürfen nicht an ausländische Staaten ausgeliefert werden. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die rechtlichen Grundlagen, beleuchten das Prinzip der Nichtauslieferung und erläutern ein konkretes Fallbeispiel, das diese Thematik veranschaulicht.


Rechtliche Grundlagen: Das Schweizer Auslieferungsverbot

Die Auslieferung von Schweizer Staatsbürgern an ausländische Staaten ist im schweizerischen Recht klar geregelt. Grundlage dafür ist Art. 25 Abs. 1 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV), welcher festlegt:

"Schweizer Bürger dürfen nicht an einen ausländischen Staat ausgeliefert werden."

Diese Regelung schützt Schweizer Staatsbürger vor der Strafverfolgung durch ausländische Staaten und stellt sicher, dass sie in der Schweiz für Straftaten zur Verantwortung gezogen werden, die im Ausland begangen wurden. Dabei spielt auch das Prinzip der territorialen Souveränität eine wichtige Rolle: Die Schweiz ist verpflichtet, ihre Bürger nach den eigenen Gesetzen und in Übereinstimmung mit den Grundrechten zu behandeln.

Allerdings gibt es Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit, die sicherstellen sollen, dass Schweizer Staatsbürger nicht völlig straflos davonkommen, wenn sie im Ausland Straftaten begangen haben. Ein zentraler Punkt hierbei ist das internationale Rechtshilfegesetz (IRSG), das die rechtlichen Rahmenbedingungen für die internationale Zusammenarbeit im Strafrecht definiert.


Das Prinzip der "Stellvertretenden Strafverfolgung"

Ein wichtiges Instrument der internationalen Rechtshilfe ist die Stellvertretende Strafverfolgung. Wenn die Schweiz die Auslieferung eines Staatsbürgers ablehnt, kann sie im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die strafrechtliche Verfolgung selbst übernehmen. Dies geschieht auf Grundlage von Art. 6 des Strafgesetzbuchs (StGB), der es der Schweiz ermöglicht, eine Straftat zu verfolgen, die im Ausland begangen wurde, sofern eine Auslieferung des Tatverdächtigen nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Union von Bedeutung. Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, hat sie bilaterale Verträge abgeschlossen, die eine grenzüberschreitende Strafverfolgung und Zusammenarbeit ermöglichen, ohne dass dabei das Auslieferungsverbot umgangen wird (Siehe Schengen/Dublin).


Fallbeispiel: Der Fall von Herrn Z.

Um die Problematik der Auslieferung zu veranschaulichen, betrachten wir den fiktiven Fall von Herrn Z., einem Schweizer Staatsbürger, der in den USA wegen schwerer Wirtschaftskriminalität angeklagt wurde. Herr Z. arbeitete als hochrangiger Finanzberater in einer internationalen Bank und wurde beschuldigt, in den USA Betrug und Geldwäsche begangen zu haben. Die amerikanischen Behörden beantragten seine Auslieferung, um ihn in den USA vor Gericht zu stellen.


Die Position der Schweiz

Die Schweizer Behörden lehnten den Auslieferungsantrag der USA unter Berufung auf Art. 25 BV ab. Nach Schweizer Recht dürfen eigene Staatsbürger nicht an ausländische Staaten ausgeliefert werden, selbst wenn schwerwiegende Vorwürfe gegen sie vorliegen. Stattdessen bot die Schweiz den USA an, Herrn Z. nach Schweizer Recht zu verfolgen.

Im Rahmen der internationalen Rechtshilfe stellten die USA die relevanten Beweismittel zur Verfügung, die gegen Herrn Z. erhoben wurden. Auf dieser Grundlage leitete die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Herrn Z. ein, in dem er sich für die ihm vorgeworfenen Straftaten in der Schweiz verantworten musste.


Der Prozess in der Schweiz

Herr Z. wurde wegen schwerer Wirtschaftsdelikte angeklagt, und das Gericht stützte sich auf die von den US-Behörden übermittelten Beweise. Der Prozess gegen Herrn Z. verlief nach Schweizer Strafprozessordnung, wobei ihm die gleichen Rechte wie jedem anderen Angeklagten zustanden. Ein zentrales Element war die Frage, ob die in den USA erhobenen Beweise in der Schweiz zulässig waren. Gemäß den Grundsätzen der Rechtshilfe im Strafrecht konnten die Beweise genutzt werden, sofern sie in Übereinstimmung mit den Schweizer Vorschriften über die Beschaffung von Beweisen standen und keine grundlegenden Menschenrechte verletzt wurden.

Nach einem intensiven Verfahren wurde Herr Z. in der Schweiz für schuldig befunden und zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe sowie einer erheblichen Geldstrafe verurteilt. Damit stellte die Schweiz sicher, dass ihr Staatsbürger für seine Taten zur Verantwortung gezogen wurde, ohne dass er den US-amerikanischen Justizbehörden ausgeliefert werden musste.

Rechtliche Bewertung und Kommentare

Dieser Fall veranschaulicht, wie die Schweiz das Auslieferungsverbot handhabt und gleichzeitig ihrer Verpflichtung zur internationalen Strafverfolgung nachkommt. Die Verurteilung von Herrn Z. zeigt, dass die Schweiz in der Lage ist, schwerwiegende Straftaten auch im eigenen Land zu ahnden, selbst wenn sie im Ausland begangen wurden.

BGE 127 II 198 ist ein zentraler Bundesgerichtsentscheid, der die Prinzipien der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen verdeutlicht. In diesem Urteil hielt das Bundesgericht fest, dass die Schweiz grundsätzlich keine eigenen Staatsbürger ausliefert, jedoch verpflichtet ist, bei schwerwiegenden Straftaten im Ausland eigene Ermittlungen aufzunehmen und die Strafverfolgung durchzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das andere Land die Schweiz um Hilfe ersucht und die Beweise nach den Regeln des schweizerischen Rechts erlangt wurden.

Kommentar zum IRSG: Nach Art. 1 IRSG ist die Schweiz zur internationalen Zusammenarbeit verpflichtet, solange diese mit den grundlegenden Prinzipien ihrer Verfassung und dem Rechtsschutz im Einklang steht. Dies bedeutet, dass die Schweiz sich zwar nicht der Jurisdiktion anderer Länder unterwirft, aber dennoch die Erfordernisse der Strafverfolgung und der internationalen Gerechtigkeit anerkennt.

Fazit: Ein Schutz mit Verantwortung

Das Schweizer Verbot der Auslieferung eigener Staatsbürger ist ein klarer Ausdruck der staatlichen Souveränität und des Schutzes der eigenen Bürger. Gleichzeitig zeigt der Fall von Herrn Z., dass die Schweiz nicht davor zurückschreckt, strafrechtliche Verantwortung für ihre Bürger zu übernehmen. In einer Zeit der verstärkten internationalen Zusammenarbeit ist dieses Modell ein gelungenes Beispiel dafür, wie nationale Interessen mit globalen Anforderungen in Einklang gebracht werden können.

Für die Schweiz ist es von zentraler Bedeutung, die Balance zwischen dem Schutz ihrer Staatsbürger und der internationalen Gerechtigkeit zu wahren. Durch die Möglichkeit der Stellvertretenden Strafverfolgung und die enge Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Rechtshilfe stellt die Schweiz sicher, dass Straftaten, die im Ausland begangen werden, nicht ungeahndet bleiben, während die Rechte der betroffenen Personen gewahrt werden.

Quellen:

  • Art. 25 Abs. 1 BV

  • Art. 6 StGB

  • Art. 1 IRSG

  • BGE 127 II 198

  • BGE 113 Ib 257 (weitere Rechtsprechung zur internationalen Rechtshilfe)


Anmerkung zu einer möglichen Untersuchungshaft:

In unserem fiktiven Fall von Herrn Z. wurde er nicht unmittelbar festgenommen, da er sich bereits in der Schweiz aufhielt und nicht geflüchtet war. Stattdessen wurde Herr Z. von den Schweizer Behörden über das gegen ihn laufende Strafverfahren informiert und im Rahmen der Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.

Da die Schweiz im Rahmen ihrer Rechtshilfe mit den USA kooperierte, bestand keine unmittelbare Notwendigkeit einer Festnahme zur Sicherung seiner Auslieferung, da die Schweiz ohnehin keine Staatsbürger ausliefert. Jedoch wurde Herr Z. während der Ermittlungen unter bestimmte Auflagen gestellt, wie etwa das Hinterlegen seines Reisepasses und eine Meldepflicht bei der Polizei, um sicherzustellen, dass er sich nicht dem Verfahren entzieht.


In der Regel wird in solchen Fällen eine Untersuchungshaft dann angeordnet, wenn Fluchtgefahr besteht oder eine Wiederholungsgefahr gesehen wird. Sollte Herr Z. versucht haben, das Land zu verlassen oder sich den Ermittlungen zu entziehen, wäre eine Festnahme gerechtfertigt gewesen. Da Herr Z. jedoch kooperierte und seinen Aufenthaltsort angab, wurde ihm die Untersuchungshaft erspart.


Dieser Blogeintrag bietet eine umfassende Analyse des Auslieferungsverbots in der Schweiz und der internationalen Zusammenarbeit im Strafrecht. Er zeigt, wie die Schweiz ihre Staatsbürger schützt und gleichzeitig ihrer internationalen Verantwortung gerecht wird.

bottom of page