Einleitung
Familienrechtliche Streitigkeiten können oft komplex und emotional belastend sein. Das folgende Fallbeispiel zeigt einen Sorgerechtsstreit, bei dem die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) involviert wurde. Der Fall illustriert nicht nur die rechtlichen Aspekte, sondern auch die Rolle der verschiedenen Akteure im schweizerischen Familienrecht, unterstützt durch rechtliche Kommentare und BGE-Entscheidungen.
Fallbeispiel: Der Sorgerechtsstreit zwischen Maria und Thomas
Maria und Thomas sind Eltern der achtjährigen Sophie. Nach der Trennung im Jahr 2022 beschlossen sie, das gemeinsame Sorgerecht beizubehalten, um Sophie einen stabilen Lebensalltag zu ermöglichen. Maria übernahm dabei die hauptsächliche Betreuung, während Thomas ein großzügiges Besuchsrecht eingeräumt wurde. Beide Elternteile waren zunächst bereit, an einer konstruktiven Ko-Elternschaft zu arbeiten.
Nach etwa einem Jahr veränderten sich die Umstände jedoch: Thomas zog berufsbedingt von Zürich nach Genf, was das regelmäßige Wahrnehmen seines Besuchsrechts erschwerte. Maria äußerte zunehmend Sorgen darüber, dass Sophies Wohl durch die ständige Umstellung der Besuchstermine beeinträchtigt werde. In dieser Situation wandte sich Maria an die KESB, um eine Überprüfung der bisherigen Sorgerechtsregelung zu veranlassen.
Die KESB entschied, dass eine Mediation zwischen den Eltern erfolgen sollte, um den besten Weg für Sophies Wohlergehen zu finden. Thomas hingegen beantragte beim Regionalgericht Bern-Mittelland eine Abänderung der Sorgerechtsvereinbarung, um eine Alleinsorge für Sophie zu erhalten, da er der Ansicht war, dass Maria eine enge Beziehung zwischen ihm und Sophie bewusst verhindern wollte.
Rechtliche Betrachtung und Würdigung
Der Fall stützt sich insbesondere auf die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (ZGB) in Bezug auf das Sorgerecht und die elterliche Sorge. Art. 298 ZGB regelt die gemeinsame elterliche Sorge und sieht vor, dass diese nur in Ausnahmefällen aufgehoben werden kann, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten dient.
Ein zentraler Punkt war, ob die Distanz zwischen den Wohnorten und die Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung des Besuchsrechts ausreichen, um eine solche Ausnahme darzustellen. Die KESB berücksichtigte dabei die aktuelle Rechtsprechung, insbesondere den BGE 145 III 393, welcher festlegt, dass das Kindeswohl oberste Priorität hat und pragmatische Lösungen zur Wahrung der Beziehung zu beiden Elternteilen zu suchen sind. In diesem Entscheid wird darauf hingewiesen, dass die Beziehungspflege nicht durch administrative Hürden oder Elternkonflikte beeinträchtigt werden darf.
Entscheidung der KESB und des Gerichts
Nach mehreren Gesprächen und einer umfassenden Anhörung der Beteiligten, einschließlich Sophie, entschied die KESB, dass es für Sophie von entscheidender Bedeutung sei, einen regelmäßigen und stabilen Kontakt zu beiden Elternteilen zu haben. Aus diesem Grund empfahl die KESB eine Anpassung der Besuchsregelungen, anstatt die gemeinsame Sorge aufzuheben.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland folgte in seiner Entscheidung weitgehend der Empfehlung der KESB. In seinem Urteil verwies das Gericht auf den Basler Kommentar zu Art. 301 ZGB, welcher festhält, dass das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr mit beiden Elternteilen grundsätzlich zu wahren sei, auch wenn die Umstände schwieriger würden. Das Gericht betonte, dass Thomas verpflichtet sei, mit Maria eine tragfähige Lösung zu finden, auch wenn dies persönliche Einschränkungen, wie vermehrte Fahrten, bedeuten würde.
Kommentar zur Entscheidung
Dieser Fall zeigt, wie komplex die Abwägung zwischen dem Kindeswohl, den Bedürfnissen der Eltern und den äußeren Umständen sein kann. Der BGE 145 III 393 unterstreicht, dass das Kindeswohl immer an erster Stelle stehen muss und eine einseitige Alleinsorge nur dann infrage kommt, wenn keine andere Lösung zur Wahrung des Wohls des Kindes gefunden werden kann. Der Basler Kommentar betont zudem die Verpflichtung der Eltern zur Zusammenarbeit, um für das Kind eine stabile und harmonische Entwicklung zu ermöglichen.
Die KESB als neutrale Instanz hat in diesem Fall eine zentrale Rolle gespielt, indem sie eine vermittelnde und präventive Funktion wahrgenommen hat. Anstatt eine Eskalation des Konflikts zuzulassen, wurde versucht, durch Mediation eine einvernehmliche Lösung zu finden, die langfristig im Interesse von Sophie ist.
Fazit
Das vorliegende Fallbeispiel zeigt die Wichtigkeit der Zusammenarbeit aller Beteiligten im Familienrecht, insbesondere wenn Kinder betroffen sind. Die KESB ist dabei nicht nur eine Kontrollinstanz, sondern agiert auch als Vermittler zwischen den Eltern, um das Kindeswohl sicherzustellen. Der Einbezug der aktuellen Rechtsprechung und der Kommentare wie des Basler Kommentars hilft, eine fundierte und rechtlich abgesicherte Entscheidung zu treffen, die den Interessen des Kindes gerecht wird.