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Internationale Rechtshilfe: Schweizer Staatsbürger und das Auslieferungsverbot

Autorenbild: kunzlawfirmkunzlawfirm

Das Thema der internationalen Rechtshilfe spielt in einer globalisierten Welt eine immer größere Rolle. Besonders relevant ist hierbei die Frage, unter welchen Bedingungen ein Staat die Auslieferung eigener Staatsbürger an andere Länder verweigert. Die Schweiz hat in diesem Zusammenhang eine klare Haltung eingenommen: Schweizer Staatsbürger dürfen nicht an ausländische Staaten ausgeliefert werden. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die rechtlichen Grundlagen, beleuchten das Prinzip der Nichtauslieferung und erläutern ein konkretes Fallbeispiel, das diese Thematik veranschaulicht.


Rechtliche Grundlagen: Das Schweizer Auslieferungsverbot

Die Auslieferung von Schweizer Staatsbürgern an ausländische Staaten ist im schweizerischen Recht klar geregelt. Grundlage dafür ist Art. 25 Abs. 1 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV), welcher festlegt:

"Schweizer Bürger dürfen nicht an einen ausländischen Staat ausgeliefert werden."

Diese Regelung schützt Schweizer Staatsbürger vor der Strafverfolgung durch ausländische Staaten und stellt sicher, dass sie in der Schweiz für Straftaten zur Verantwortung gezogen werden, die im Ausland begangen wurden. Dabei spielt auch das Prinzip der territorialen Souveränität eine wichtige Rolle: Die Schweiz ist verpflichtet, ihre Bürger nach den eigenen Gesetzen und in Übereinstimmung mit den Grundrechten zu behandeln.

Allerdings gibt es Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit, die sicherstellen sollen, dass Schweizer Staatsbürger nicht völlig straflos davonkommen, wenn sie im Ausland Straftaten begangen haben. Ein zentraler Punkt hierbei ist das internationale Rechtshilfegesetz (IRSG), das die rechtlichen Rahmenbedingungen für die internationale Zusammenarbeit im Strafrecht definiert.


Das Prinzip der "Stellvertretenden Strafverfolgung"

Ein wichtiges Instrument der internationalen Rechtshilfe ist die Stellvertretende Strafverfolgung. Wenn die Schweiz die Auslieferung eines Staatsbürgers ablehnt, kann sie im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die strafrechtliche Verfolgung selbst übernehmen. Dies geschieht auf Grundlage von Art. 6 des Strafgesetzbuchs (StGB), der es der Schweiz ermöglicht, eine Straftat zu verfolgen, die im Ausland begangen wurde, sofern eine Auslieferung des Tatverdächtigen nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Union von Bedeutung. Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, hat sie bilaterale Verträge abgeschlossen, die eine grenzüberschreitende Strafverfolgung und Zusammenarbeit ermöglichen, ohne dass dabei das Auslieferungsverbot umgangen wird (Siehe Schengen/Dublin).


Fallbeispiel: Der Fall von Herrn Z.

Um die Problematik der Auslieferung zu veranschaulichen, betrachten wir den fiktiven Fall von Herrn Z., einem Schweizer Staatsbürger, der in den USA wegen schwerer Wirtschaftskriminalität angeklagt wurde. Herr Z. arbeitete als hochrangiger Finanzberater in einer internationalen Bank und wurde beschuldigt, in den USA Betrug und Geldwäsche begangen zu haben. Die amerikanischen Behörden beantragten seine Auslieferung, um ihn in den USA vor Gericht zu stellen.


Die Position der Schweiz

Die Schweizer Behörden lehnten den Auslieferungsantrag der USA unter Berufung auf Art. 25 BV ab. Nach Schweizer Recht dürfen eigene Staatsbürger nicht an ausländische Staaten ausgeliefert werden, selbst wenn schwerwiegende Vorwürfe gegen sie vorliegen. Stattdessen bot die Schweiz den USA an, Herrn Z. nach Schweizer Recht zu verfolgen.

Im Rahmen der internationalen Rechtshilfe stellten die USA die relevanten Beweismittel zur Verfügung, die gegen Herrn Z. erhoben wurden. Auf dieser Grundlage leitete die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Herrn Z. ein, in dem er sich für die ihm vorgeworfenen Straftaten in der Schweiz verantworten musste.


Der Prozess in der Schweiz

Herr Z. wurde wegen schwerer Wirtschaftsdelikte angeklagt, und das Gericht stützte sich auf die von den US-Behörden übermittelten Beweise. Der Prozess gegen Herrn Z. verlief nach Schweizer Strafprozessordnung, wobei ihm die gleichen Rechte wie jedem anderen Angeklagten zustanden. Ein zentrales Element war die Frage, ob die in den USA erhobenen Beweise in der Schweiz zulässig waren. Gemäß den Grundsätzen der Rechtshilfe im Strafrecht konnten die Beweise genutzt werden, sofern sie in Übereinstimmung mit den Schweizer Vorschriften über die Beschaffung von Beweisen standen und keine grundlegenden Menschenrechte verletzt wurden.

Nach einem intensiven Verfahren wurde Herr Z. in der Schweiz für schuldig befunden und zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe sowie einer erheblichen Geldstrafe verurteilt. Damit stellte die Schweiz sicher, dass ihr Staatsbürger für seine Taten zur Verantwortung gezogen wurde, ohne dass er den US-amerikanischen Justizbehörden ausgeliefert werden musste.

Rechtliche Bewertung und Kommentare

Dieser Fall veranschaulicht, wie die Schweiz das Auslieferungsverbot handhabt und gleichzeitig ihrer Verpflichtung zur internationalen Strafverfolgung nachkommt. Die Verurteilung von Herrn Z. zeigt, dass die Schweiz in der Lage ist, schwerwiegende Straftaten auch im eigenen Land zu ahnden, selbst wenn sie im Ausland begangen wurden.

BGE 127 II 198 ist ein zentraler Bundesgerichtsentscheid, der die Prinzipien der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen verdeutlicht. In diesem Urteil hielt das Bundesgericht fest, dass die Schweiz grundsätzlich keine eigenen Staatsbürger ausliefert, jedoch verpflichtet ist, bei schwerwiegenden Straftaten im Ausland eigene Ermittlungen aufzunehmen und die Strafverfolgung durchzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das andere Land die Schweiz um Hilfe ersucht und die Beweise nach den Regeln des schweizerischen Rechts erlangt wurden.

Kommentar zum IRSG: Nach Art. 1 IRSG ist die Schweiz zur internationalen Zusammenarbeit verpflichtet, solange diese mit den grundlegenden Prinzipien ihrer Verfassung und dem Rechtsschutz im Einklang steht. Dies bedeutet, dass die Schweiz sich zwar nicht der Jurisdiktion anderer Länder unterwirft, aber dennoch die Erfordernisse der Strafverfolgung und der internationalen Gerechtigkeit anerkennt.

Fazit: Ein Schutz mit Verantwortung

Das Schweizer Verbot der Auslieferung eigener Staatsbürger ist ein klarer Ausdruck der staatlichen Souveränität und des Schutzes der eigenen Bürger. Gleichzeitig zeigt der Fall von Herrn Z., dass die Schweiz nicht davor zurückschreckt, strafrechtliche Verantwortung für ihre Bürger zu übernehmen. In einer Zeit der verstärkten internationalen Zusammenarbeit ist dieses Modell ein gelungenes Beispiel dafür, wie nationale Interessen mit globalen Anforderungen in Einklang gebracht werden können.

Für die Schweiz ist es von zentraler Bedeutung, die Balance zwischen dem Schutz ihrer Staatsbürger und der internationalen Gerechtigkeit zu wahren. Durch die Möglichkeit der Stellvertretenden Strafverfolgung und die enge Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Rechtshilfe stellt die Schweiz sicher, dass Straftaten, die im Ausland begangen werden, nicht ungeahndet bleiben, während die Rechte der betroffenen Personen gewahrt werden.

Quellen:

  • Art. 25 Abs. 1 BV

  • Art. 6 StGB

  • Art. 1 IRSG

  • BGE 127 II 198

  • BGE 113 Ib 257 (weitere Rechtsprechung zur internationalen Rechtshilfe)


Anmerkung zu einer möglichen Untersuchungshaft:

In unserem fiktiven Fall von Herrn Z. wurde er nicht unmittelbar festgenommen, da er sich bereits in der Schweiz aufhielt und nicht geflüchtet war. Stattdessen wurde Herr Z. von den Schweizer Behörden über das gegen ihn laufende Strafverfahren informiert und im Rahmen der Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.

Da die Schweiz im Rahmen ihrer Rechtshilfe mit den USA kooperierte, bestand keine unmittelbare Notwendigkeit einer Festnahme zur Sicherung seiner Auslieferung, da die Schweiz ohnehin keine Staatsbürger ausliefert. Jedoch wurde Herr Z. während der Ermittlungen unter bestimmte Auflagen gestellt, wie etwa das Hinterlegen seines Reisepasses und eine Meldepflicht bei der Polizei, um sicherzustellen, dass er sich nicht dem Verfahren entzieht.


In der Regel wird in solchen Fällen eine Untersuchungshaft dann angeordnet, wenn Fluchtgefahr besteht oder eine Wiederholungsgefahr gesehen wird. Sollte Herr Z. versucht haben, das Land zu verlassen oder sich den Ermittlungen zu entziehen, wäre eine Festnahme gerechtfertigt gewesen. Da Herr Z. jedoch kooperierte und seinen Aufenthaltsort angab, wurde ihm die Untersuchungshaft erspart.


Dieser Blogeintrag bietet eine umfassende Analyse des Auslieferungsverbots in der Schweiz und der internationalen Zusammenarbeit im Strafrecht. Er zeigt, wie die Schweiz ihre Staatsbürger schützt und gleichzeitig ihrer internationalen Verantwortung gerecht wird.

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